Bundesrat Stenographisches Protokoll 615. Sitzung / Seite 59

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ich verstehe natürlich, daß man auf europäische Institutionen, auch wenn man in ihnen selbst vertreten war wie Frau Kollegin Riess-Passer, böse ist, wenn sie politische Standpunkte vertreten, die einem selbst nicht zusagen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Haben Sie ein negatives Wort von mir über die EU gehört?) Frau Kollegin! Sie hatten Ihre Wortmeldung, jetzt ist meine an der Reihe! Das Europäische Parlament hat eben mit großer Mehrheit festgestellt, daß die Herrschaften Le Pen und Haider Vertreter eines Rassismus sind, die man in der politischen Landschaft ausgrenzen sollte. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Dr. Tremmel. ) Herr Kollege! Sie haben leider keine Ahnung! (Bundesrat Dr. Tremmel: Ich habe sehr wohl eine Ahnung!) Die Legende, daß dort immer nur 100 abstimmen, ist falsch. Es hat bei dieser Abstimmung 560 Stimmen gegeben, von denen 300 dafür waren. Lassen Sie sich das vielleicht von Ihrer Frau Kollegin erklären! (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Ich bin sehr beeindruckt!) Ich bin überzeugt, daß demokratische Beschlüsse Sie nicht beeindrucken können! Das brauchen Sie gar nicht so laut auszusprechen! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dürfen wir uns in Ihrer Demokratie auch äußern?)

Wenn also ein Parlament einen solchen Beschluß faßt, was zu seinen guten Rechten gehört, dann mag Sie das stören und das Parlament in Ihren Augen abwerten. Wenn die Europäische Union Politikansätze verfolgt, die nicht mit den Ihren übereinstimmen, dann mag das aus Ihrer Sicht kritikwürdig sein. Dagegen ist im Prinzip auch nichts einzuwenden. Der Dialog darüber, ob Politikansätze in der Union richtig sind, ist durchaus legitim. Ich verwahre mich nur dagegen, daß eine höchst subjektive und durchaus isolierte Wahrnehmung für die Realität ausgegeben wird.

Nur ein Beispiel: Wir sind – das war natürlich eine Provokation – eineinhalb Jahre lang mit einem Standpunkt der Union in bezug auf die Wegekosten im Straßenverkehr konfrontiert gewesen, der unserer Meinung und den Interessen unseres Landes tatsächlich diametral zuwidergelaufen ist. Dieser geht – wenn ich das so sagen darf – auf ein traditionelles Erbe einer anderen Verkehrspolitik zurück, als wir sie in Österreich betreiben wollen. Durchaus selbstkritisch – aber nicht für meine Partei, sondern für die Politik in unserem Land – ist festzustellen: Wir sind auch nicht seit 1949 auf dem Trip, dem Straßenverkehr klare ökologische Bedingungen aufzuerlegen. Aber wir haben dazugelernt, schneller als andere Mitgliedstaaten und die Europäische Union selbst.

Sie wissen so gut wie ich, daß wir eineinhalb Jahre lang mühsam und auf vielen Ebenen unsere Standpunkte vertreten, unsere Erfahrungen und unsere Politik eingebracht haben, was letztlich dazu geführt hat, daß die Kommission jetzt im Begriff ist, ihre diesbezüglichen Politikansätze zu ändern. Damit ist noch nicht allzuviel erreicht, und es wird nicht ganz einfach sein, diesen neuen Politikansatz im Rat durchzusetzen. Ich gehe davon aus, daß es möglich sein wird, ihn letztlich im Parlament durchzusetzen, aber der stete Tropfen, den nicht Sie, sondern wir in Brüssel fallen ließen, hat dazu geführt, daß es zu einem Umdenken gekommen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) – Ich räume sofort ein, daß es eine Vielzahl weiterer Bereiche gibt, in denen es notwendig ist, diesen Prozeß des Einbringens österreichischer Standpunkte fortzusetzen, wo wir einen solchen Erfolg wie bei Neil Kinnock, der diesem Ansatz auch persönlich sehr nahegestanden ist, noch nicht erreicht haben.

Spricht dies gegen unsere Mitarbeit? Spricht es gegen das Einbringen österreichischer Ansätze, wenn diese von den anderen nicht gleich beim erstenmal, wenn wir sie vorbringen, als Erleuchtung angenommen werden? – Ich meine, das ist nicht der Fall! Ich meine nämlich, daß ein solches Verständnis kein sehr demokratisches wäre. Natürlich ringen in Anbetracht der Gegebenheiten Interessen miteinander: nationale Interessen, auch weltanschauliche Interessen, verschiedene Politikansätze. Wir haben einen, wie ich glaube, berechtigten und in vielen Fälle fruchtbaren Standpunkt einzubringen, und das werden und wollen wir tun. Aber die Tatsache, daß das in dem einen oder anderen Fall länger dauert, als wir es uns vielleicht erhofft haben, ist kein Argument dagegen, es ständig erneut zu probieren: Der österreichischen Politik, der Regierungspolitik, den Vertretern in den verschiedenen Räten, den Vertretern in der Ständigen Vertretung in Brüssel, den Parlamentariern und allen, die von uns beteiligt sind, sollen Ermutigung und Unterstützung dort gegeben werden, wo sie diesen Umdenkprozeß in zentralen Bereichen vorantreiben können.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite