Bundesrat Stenographisches Protokoll 615. Sitzung / Seite 68

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tik, da gebe ich Ihnen recht, Herr Staatssekretär; aber Sie sollten nicht dem Irrtum verfallen, daß Sie die Arbeitsplatzprobleme Österreichs einfach auf die EU-Ebene transportieren können und daß man Ihnen dort diese Probleme abnehmen wird.

Auch in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren, schwindeln sich die Sprecher der beiden Regierungsparteien immer über das Thema hinweg. Polen, Tschechien, Slowenien und Ungarn werden 1999 NATO-Mitglieder sein. Damit ist nach den Beschlüssen der NATO-Tagungen von Berlin und Brüssel das künftige europäische Sicherheitskonzept des Bündnisses einstweilen fertiggestellt, aber ohne Republik Österreich. Und obgleich der Verteidigungsminister – ich nehme an, er gehört dieser Bundesregierung noch an – klar festgestellt hat, daß die WEU nicht isoliert von der NATO gesehen werden könne, werden aus dieser richtigen Analyse nicht die notwendigen Schlüsse gezogen. Die SPÖ verhindert eine zukunftsweisende Politik, und die ÖVP setzt sich in dieser Frage nicht durch.

In der Außen- und Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren, bietet diese Bundesregierung nach wie vor ein Bild der Uneinigkeit und der Unsicherheit. Die Bürger fragen sich zu Recht, wozu wir der Europäischen Union beigetreten sind: Nur um den Beitrag Jahr für Jahr zu bezahlen, oder auch um die Zusammenarbeitsmöglichkeiten der Gemeinschaft in wichtigen Bereichen zu nutzen? – Denn warum die Bundesregierung gerade in jenem Bereich, in dem unsere Republik die größten Defizite hat, nämlich in der Sicherheitspolitik, nicht in der Lage ist, die notwendigen Schritte zu setzen, ist unverständlich.

Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren, ist nicht Verteidigungspolitik und Militär alleine, aber in letzter Konsequenz eben auch und in der allerletzten Konsequenz ausschließlich. Wir Freiheitlichen haben schon vor der EU-Volksabstimmung 1994 gefordert, daß die Entwicklung und Herausbildung eines europäischen kollektiven Sicherheitssystems erforderlich sei und daß die NATO und die WEU den einzigen Weg dazu darstellen.

Mit dem Vertrag von Maastricht – Sie scheinen das zu vergessen, meine Damen und Herren der Regierungsparteien – wurde auch ein Kapitel über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eingeführt, und zwar mit dem Ziel der Stärkung der Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedstaaten in all ihren Formen. Der Artikel J.4 besagt unter anderem: Die GASP – die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – umfaßt sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Europäischen Union betreffen, wozu auf längerer Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen können muß. Die Union ersucht die Westeuropäische Union, die integraler Bestandteil der Entwicklung der Europäischen Union ist, die Entscheidungen und Aktionen der Union, die verteidigungspolitische Bezüge haben, auszuarbeiten und durchzuführen.

Außerdem hat Österreich im Beitrittsvertrag eine gemeinsame Erklärung zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik abgegeben, worin die EU und Österreich übereinkommen, daß mit dem Beitritt alle Ziele des Vertrages, auch die Bestimmungen der GASP des Vertrages und die ihm beigefügten einschlägigen Erklärungen vollständig und vorbehaltlos übernommen werden.

Tatsachen, meine Damen und Herren, sind: Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und dem Zerfall des Ostblocks werden völlig neue Anforderungen an die europäische Sicherheitspolitik gestellt. Die Gefahr von regionalen Konflikten, die eine Bedrohung für Österreich bedeuten könnten, ist rapide gestiegen. Die GASP ist, wie am Beispiel des Balkankonfliktes deutlich wurde, völlig unzureichend gerüstet, um die anstehenden Probleme zu lösen.

Die Neutralität hat in der Vergangenheit sicherlich einen großen Beitrag für die österreichische Sicherheit und Unabhängigkeit geleistet, aber glücklicherweise mußte der Wahrheitsbeweis, nämlich der wirkliche Schutz im Aggressionsfall, nie angetreten werden. Eine ernstgenommene Neutralität würde bedeuten, daß wir in Friedenszeiten eine konsequente Neutralitätspolitik gegenüber allen potentiellen Konfliktparteien beachten müßten, was die völlige Isolation Österreichs im Rahmen der EU und in der internationalen Staatengemeinschaft zur Folge hätte. Auch wären die Kosten für eine alleinige und isolierte Landesverteidigung kaum abschätz- und bewältigbar.


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