Bundesrat Stenographisches Protokoll 616. Sitzung / Seite 25

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Ich halte das für eine legitime Entscheidung, und ich halte das Umgekehrte für eine legitime Entscheidung. Aber eines ist dabei klar, und das habe ich versucht, mit dieser kleinen Ableitung deutlich zu machen: Ich unterstelle niemandem, der ein Mandat annimmt, daß es Einkommensinteressen sind, die ihn dazu motivieren, sich in dieser spezifischen und bezahlten Aufgabe zu engagieren. Es wäre eine echte Unterstellung – das gilt quer durch das Parteienspektrum –, zu behaupten, daß jemand in seiner Parteiorganisation mitarbeitet, daß er versucht, an Initiativen auch konzeptiv mitzuwirken, weil dann irgendwann einmal, am Ende eines politischen Weges, ein bezahltes politisches Mandat winkt. Wer diese Behauptung aufstellt, und wer solcherart das politische Engagement der Bürgerinnen und Bürger abwertet, der nagt ganz kräftig an den Fundamenten unserer Demokratie. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

In der Diskussion, wie sie in der Öffentlichkeit geführt wird, hat in den letzten zwei, drei Jahren ein Wort eine gewisse Bedeutung gewonnen, die mir Angst macht. Das Wort kommt aus dem Französischen und bedeutet dort ein bißchen etwas anderes – politische Klasse oder – wenn man will – politische Kaste. Auch dazu ist zu sagen: Jeder von uns hat seinen individuellen Werdegang. Nur wenige von uns stammen, soweit ich das beurteilen kann, aus Familien, in denen andere bereits politische Mandate innehatten, sondern jeder von uns ist seinen eigenen Weg in diese verantwortungsvolle Funktion gegangen.

Wenn es eine Bevölkerungsgruppe von hauptamtlich politisch Tätigen gibt – und diese gibt es –, dann ist es mit Sicherheit eine, die gesellschaftlich offen ist und in die man aus sehr unterschiedlichen Richtungen, aus sehr unterschiedlichen sozialen Gruppen hineinwachsen kann. Ich sage es sehr deutlich, ich halte das für das Entscheidende an einer Demokratie, daß es im Prinzip, auch in der Praxis, für Bürgerinnen und Bürger aus sehr unterschiedlichen Positionen im gesellschaftlichen Stratum die Möglichkeit gibt, eine solche politische Funktion zu erlangen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Damit komme ich naturgemäß zur Frage der Honorierung zurück. Schauen Sie sich dieses Haus mit all seiner Pracht, seinem Stuck, seinem Gold und vor allem mit seinen langen Wandelgängen an! Ich sage ehrlich: Dieses Parlament ist nicht für Leute wie mich gebaut, es ist – wenn Sie mir diese Pauschalierung gestatten – auch nicht für Leute wie Sie gebaut; dieses Haus ist für galizische Großgrundbesitzer gebaut, die eingehängt in langen Wandelgängen über den Verkauf von Grundstücken und Viehherden zu verhandeln hatten – darum sind die so lang, weil es eine Weile gedauert hat, bis sie fertig waren. Ich möchte keinen Parlamentarismus, in dem Großgrundbesitzer – in diesem Fall nicht ostgalizische Großgrundbesitzer, sondern Kärntner Großgrundbesitzer –, Bauindustrielle und andere Gentleman-Politiker die einzigen sind, die die wirtschaftliche Möglichkeit haben, sich zu Volksvertretern wählen zu lassen. (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Bundesrates Dr. Schambeck. )

Ich halte es für entscheidend, ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Haselsteiner! – Bundesrat Payer: Kannst du nicht genau aufpassen?) Herr Kollege Tremmel! Wenn Sie zuzuhören in der Lage sind, dann tun Sie das! Ich glaube, daß das ein Problem ist, das nichts damit zu tun hat, daß irgend jemand einer spezifischen Partei angehört. Ich habe sehr bewußt keinen Namen genannt – ich schließe mich in diesem Fall Ihrem Vorbild an –, weil die Problemstellung parteiübergreifend ist. Sozialdemokratische Großgrundbesitzer sind ein bißchen rarer (Bundesrat Dr. Tremmel: Es gibt sie!) , aber theoretisch denkbar sind sie natürlich auch, Herr Kollege! (Bundesrat Dr. Kapral: Es gibt zumindest Sympathisanten!) Es gibt keine Sympathisanten, aber lassen wir das.

Wenn wir also ein politisches System aufrechterhalten wollen, in dem Menschen aus dem öffentlichen Dienst, aus der Privatwirtschaft, aus den Apparaten der Interessenvertretungen, aus den vollberuflichen Tätigkeiten in den politischen Parteien, aus Arbeiterberufen, aus der Landwirtschaft und aus all diesen Bereichen, hinter denen nicht Kapital und Besitz steht, vertreten sind, weiterhin aufrechterhalten wollen, dann haben wir darüber nachzudenken – und das tun wir –, wie eine Struktur der Besoldung, der Entlohnung, der Spesenabgeltung sichergestellt werden kann, die politische Tätigkeit möglich macht.


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