Bundesrat Stenographisches Protokoll 616. Sitzung / Seite 45

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Kriterien im nachhinein. Es ist auch ein offenes Geheimnis, daß im Nationalratsausschuß die genaue Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen einem sehr kleinen Kreis vorbehalten war.

Der Gesetzesbeschluß vermittelt keine Klarheit über die finanziellen Auswirkungen und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand. Ich bewundere die Rechenkünste all jener, die genau wissen, wem was wieviel bringt oder wieviel nimmt. Ich kann diese Rechnungen nicht nachvollziehen, weil die Grundlage dafür dem Gesetzesbeschluß nicht zu entnehmen ist. Ich halte das für einen ganz wesentlichen Mangel eines Gesetzes.

Schließlich habe ich nach der Diskussion der letzten Tage und nach vielen Gesprächen auch Zweifel, ob im Nationalrat nach dem Wissensstand von heute dieses Gesetz so noch einmal beschlossen werden würde.

Zum Zweiten: Wenn die Mitwirkung des Bundesrates an der Bundesgesetzgebung als eigenständiges Gegengewicht zum Nationalrat – im Sinne einer nachprüfenden Qualitätskontrolle und nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Vertretung von Länderinteressen – einen Sinn haben soll, dann sollte dieser meiner Meinung nach wenigstens bei diesem exemplarischen Beispiel schlechter Gesetzgebungskultur durch Rückverweisung an den Nationalrat zum Ausdruck kommen, so wie das im Nationalrat selbst bereits mehrfach gefordert worden ist. Für die bloße Beurkundung von Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates gibt es bereits ein Organ: den Herrn Bundespräsidenten. Wenn eine zweite Kammer Sinn haben soll, dann wohl nur den, daß nicht allzuviel Macht bei einem Organ konzentriert wird und diese zweite Kammer ein Gegengewicht zur ersten darstellt. (Beifall bei den Bundesräten der ÖVP, bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Prähauser. )

Die Gesetzgebung wird in Österreich nur formal, so wie es in der Bundesverfassung steht, vom Nationalrat und Bundesrat gemeinsam vorgenommen – materiell vom Nationalrat allein.

Ich weiß schon – ich hielte es für falsch, es zu tun –, daß man an die Tätigkeit des Bundesrates nicht den Maßstab anlegen soll, zu wie vielen Gesetzesbeschlüssen er Einspruch erhoben hat. Das wäre ein nicht sachgerechter Maßstab. Auf der anderen Seite müssen wir uns aber auch kritisch mit dem Argument auseinandersetzen, ob wirklich alle dieses Haus in den letzten zehn Jahren verlassenen Gesetze so gut waren, daß wir in Wahrheit nur ein einziges Mal Anlaß für einen Einspruch gesehen haben.

Wir gehen in der parlamentarischen Praxis von der Einheit der Entscheidungsfindung zwischen Nationalrat und Bundesrat aus, und wir werden verstärkt mit der Frage konfrontiert werden, ob da nicht Einheit letztlich auch Einzahl bewirken sollte und bewirken wird. Wenn wir sehen, wie in den Landtagen teilweise darüber diskutiert wird, dann wissen wir, daß es nicht nur die Massenmedien sind, die die zweite Kammer in Frage stellen. Es gab vor kurzem im Salzburger Landtag eine Diskussion, in der von der SPÖ und von der Bürgerliste die Existenz des Bundesrates in Frage gestellt wurde – das ist in Ausschußberichten des Salzburger Landtages nachzulesen. Diskussionen darüber werden auch immer wieder durch Beiträge von Landeshauptmännern ausgelöst, die sagen, bei den finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern wollen wir die Interessen der Länder selbst wahrnehmen. Sie sagen, im Bundesrat fände keine wirksame Vertretung statt. Das ist aber etwas, was ich in Paranthese anfügen möchte, weil es mit diesem Gesetzesbeschluß nicht unmittelbar zu tun hat.

Dazu kommt, daß dieser Gesetzesbeschluß in einer reichlich überfallsartigen Weise auch für die Länder und die Gemeinden wirksam werden soll, ohne daß sie – wie schon erwähnt – im Begutachtungsverfahren oder auf andere Weise eingebunden gewesen wären.

Das Bezügereformgesetz verknüpft die notwendige und beispielsweise vom Vorarlberger Landtag seit langem geforderte und in seinem eigenen Bereich – wie auch in anderen Landtagen – durchgeführte Verbesserung der Rechtslage bei Dienstfreistellungen öffentlich Bediensteter für Mandate in gesetzgebenden Körperschaften in einer weder vertretbaren noch notwendigen Weise mit überhasteten Änderungen des Bezügegesetzes und des Parlamentsmitarbeitergesetzes, die leider auch vom Gedanken der finanziellen Kompensation des Wegfalls arbeitsloser Einkommen getragen sind.


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