Bundesrat Stenographisches Protokoll 616. Sitzung / Seite 55

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Hoher Bundesrat, haben wir zur Kenntnis zu nehmen! Mit dieser haben wir uns auseinanderzusetzen, und alle Damen und Herren Vorredner haben das auch getan.

Es hat selten ein Thema gegeben, mit dem sich die parlamentarische und die außerparlamentarische Willensbildung – auch in den Massenmedien, Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen – so parallel beschäftigt haben.

Die demokratische Republik – im Artikel 1 Bundes-Verfassungsgesetz heißt es: Österreich ist eine demokratische Republik; ihr Recht geht vom Volk aus; wie oft habe ich gesagt, wir müssen uns bemühen, daß niemals der Eindruck entsteht, es wäre am Volk ausgegangen – ist jene politische Staatsform, in der die Identität der Bevölkerung mit ihren Repräsentanten im Mittelpunkt zu stehen hat. Es ist zu bedenken, meine sehr Verehrten, gerade auch in einem Jahr, in dem wir das Millenium Österreichs feiern, daß der Staat Österreich, die österreichische Staatlichkeit in der Zeit, als wir eine Monarchie waren – als der Recht- und Machtzweck im Vordergrund stand und Ferdinand Lassalle nicht zu Unrecht im vergangenen Jahrhundert von einem Nachtwächterstaat gesprochen hat –, mit seinen damaligen Repräsentanten der Monarchie höher angesehen war als heute der soziale Rechtsstaat mit dem Rechts- und Machtzweck und Kultur- und Wohlfahrtszweck, mit seiner Mehrzweckverwendung, in der wir uns befinden.

Bedenken Sie, daß der Raum – Kollege Kone#ny hat das auch schon angesprochen –, in dem wir uns jetzt befinden, bis 1918 der Vorraum, der Rauchsalon des Herrenhauses war und daneben, im heutigen Nationalrat, das Herrenhaus gewesen ist. Meine sehr Verehrten, es ist doch interessant, daß man damals mehr Respekt gegenüber jenen hatte, die für den beschränkten Staatszweck gewesen sind, als heute gegenüber jenen, die sich darum bemühen, daß es einen nicht limitierten, nicht beschränkten, sondern einen mit Recht umfassenden Staatszweck geben soll.

Meine sehr Verehrten! Die Bezügereform ist heute in beachtenswerten Diskussionsbeiträgen behandelt worden. Zu vielen wird noch viel geschrieben werden und könnte man noch viel sagen. Zur Frage, ob man dieses Gesetz im Juli oder im Herbst verabschieden hätte sollen, kann ich sagen, auch ich wäre dafür gewesen, sich mehr Zeit zu lassen, allerdings war der öffentliche Druck entsprechend stark.

Dieses Thema ist ein ewiges Thema in einer demokratischen Republik, denn, meine sehr Verehrten, genauso wie sich in einer Familie das Wirtschaftsgeld nach den wirtschaftlichen Verhältnissen weiterentwickelt, wird sich auch das Bewußtsein weiterentwickeln, was einer demokratischen Republik die Politik wert ist oder nicht wert ist, wofür man bereit ist, etwas auszugeben, und wofür nicht.

Meine sehr Verehrten, ich bin überzeugt davon – und ich glaube, da sind wir über alle Fraktionsgrenzen hinweg einer Meinung –, es geht niemand in den Bundesrat, um mächtig zu werden und viel Geld zu verdienen. Das weiß man von Haus aus, meine sehr Verehrten. Ich bin im Jahr 1969 mit vollster Überzeugung in den Bundesrat gegangen, obwohl meine Partei und mein Bund mich einige Monate später, nämlich bereits im Frühjahr 1970, aufgefordert haben, in den Nationalrat überzuwechseln. Als Ersatzmann war damals Herr Dr. Robert Lichal vorgesehen. Ich habe damals meinem Parteioberen Dr. Prader gesagt: Ich denke nicht daran, in den Nationalrat zu gehen, ich will Bundesrat sein. Warum? – Erstens, weil ich dem Föderalismus dienen will, und zweitens, weil ich daneben meinen Beruf ausüben möchte. Wie Sie aus den Vorlesungsverzeichnissen der Linzer Universität ersehen können, habe ich jedes Studienjahr meine volle Lehrverpflichtung als Professor erfüllt, meine Vorlesungen gehalten und daneben auch publiziert, was in den Bibliotheken nachlesbar ist.

Aber, meine sehr Verehrten: Jede Situation ist eine andere. Bei einem Hochschullehrer, wenn er Ordinarius ist – und bevor ich ins Parlament gekommen bin, habe ich schon drei Lehrstühle gehabt, davon einen in Amerika –, so darf ich Ihnen sagen, ist eine andere Situation gegeben, als wenn jemand in der Hoheitsverwaltung in einer Hierarchie mit eingebaut ist – genauso wie die Situationen auch in der privaten Wirtschaft verschieden sind. Es kann einer einen Unter


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite