Bundesrat Stenographisches Protokoll 616. Sitzung / Seite 58

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ten, und die Unterscheidung, ob man bei einem Politiker nur eine parlamentarische Tätigkeit werten kann, oder ob es nicht neben der parlamentarischen Tätigkeit noch andere politische Tätigkeiten gibt, läßt sich ja schwer treffen. (Beifall bei der ÖVP und SPÖ.)

Die Tragik des Bundesrates ist, daß dieses ganze Bezügereformgesetz endgültig beschlossen und akzentuiert wurde von Leuten, die ein Ministergehalt haben, im Hinblick auf die Bezüge eines Nationalratsabgeordneten – und der Bundesrat hat die Hälfte, und für den gilt das auch –, ohne zu bedenken, daß die Ausgaben für uns genauso sind wie für einen Minister und wie für einen Nationalratsabgeordneten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich meine – und diesen Vorwurf mache ich den Vätern oder den Müttern dieses Gesetzes –, daß man nicht in ausreichendem Maß mit allen Zuständigen vorher gesprochen hat. Ich für meine Person – und wer mich näher kennt, weiß es – gehe lieber einen Tag und eine Nacht – nur zwischen ein und fünf Uhr früh molestiere ich niemanden mit einem Anruf – mehr auf die Nerven, als daß jemand den Eindruck hat, er wird von mir übergangen.

Ich hoffe sehr, daß die Weiterentwicklung dieses Bezügegesetzes und die Vorbereitung dieser sogenannten Pyramide – diesen Ausdruck halte ich nicht für sehr günstig, weil das spricht für Über- und Unterordnung, und das ist in einer demokratischen Republik nicht günstig –, kommunikativer zustande kommt – im Einvernehmen mit den Repräsentanten auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe bisher so gelebt, wie es das Gesetz verlangt: volle Berufsausübung neben einem politischen Mandat. Wer dieses Gesetz ernstnimmt, braucht aber einen 18-Stunden-Tag. Und ich möchte sagen: Respekt vor allen Ehefrauen, Eheteilen, Ehemännern, Familien, die Verständnis für die politische Tätigkeit des anderen Eheteils haben, auch vor den Kindern. Ich würde das ein zweites Mal niemandem zumuten. Meine Frau hatte dafür Verständnis gehabt. Mein Schwiegervater war ein österreichischer Politiker, der im Amt gestorben ist, dem alle drei Fraktionen Respekt zollten. Er hat, als ich in die Familie kam, gesagt: Um Gottes willen! Zuerst hat es ihn gefreut, daß ein Wissenschafter in die Familie kommt, damit die Tochter einen Mann zu Hause hat, der ein – wie er meinte – stiller Gelehrter ist, aber als er dann gemerkt hat, daß ich die Absicht habe, ein Bundesratsmandat anzunehmen, hat er mir vor seinem Ableben im Jahre 1966 gesagt: Bitte, tu das nicht! Er hat das auch meinen Eltern gesagt.

Und ich sage Ihnen ehrlich: Ich habe heute, wo ich die Ehre habe, hier vor Ihnen zu stehen, meiner verstorbenen Frau gegenüber ein ebenso schlechtes Gewissen wie gegenüber meiner Tochter. Ich war kein guter Ehemann, ich hatte zuwenig Zeit für meine Frau, und ich hätte ein besserer Vater sein können. Ich habe im In- und Ausland mehr über die Familie geschrieben und gesprochen, als ich dies in Wirklichkeit auch leben konnte. Ich habe diesbezüglich ein schlechtes Gewissen und schlage hier mein "maxima culpa". Meine Frau hat bis zu ihrem Ableben Verständnis dafür gehabt; diese Zusammenarbeit steht auch in den Vorworten meiner Bücher.

Ob begriffen oder nicht, ob verhöhnt – die heutige Zeit, meine Damen und Herren, ignoriert Leistungen, sie verhöhnt und ironisiert Anerkennung und propagiert das angenommen Negative! Das werden wir auch morgen erleben und in den nächsten Tagen. Aber, meine Damen und Herren, es gehört zum Menschsein dazu, daß jeder sein Kreuz zu tragen hat, bewußt oder unbewußt. Und ich zitiere nicht einen Christlichdemokraten, sondern einen Sozialdemokraten, der sich diese demokratische Republik ersehnt hat, aber sie nicht mehr erlebt hat, den Sozialisten Victor Adler, der gesagt hat, nur der solle in die Politik gehen, der die Menschen liebt. Ich gebe Victor Adler recht und füge als Christlichdemokrat hinzu: Der soll in die Politik gehen, der hinter den Menschen etwas Höheres sieht. Politik ist Dienst am Nächsten, ist praktische Nächstenliebe, meine sehr Verehrten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Selbst auf die Gefahr hin, verhöhnt zu werden, habe ich in meinem Leben nie einen Menschen, der zu mir um eine Hilfe gekommen ist, gefragt, wo er politisch herkommt. Nur wenn er mit mir zusammenarbeiten wollte, habe ich gesagt: Damit Sie es wissen, ich bin der Soundso, wenn Sie


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