Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 15

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Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: An sich ist das Acquis Communautaire, das ist Rechtsbestand der Union, daß der Binnenmarkt allen Marktteilnehmern, die an diesem Binnenmarkt teilnehmen oder auf diesem anbieten, voll zugänglich sein soll. Daher gibt es vom Prinzip her überhaupt keinen Anlaß hier, anders als mit Ja zu antworten.

Weil ich nicht genau weiß, worauf Sie hinauswollen, füge ich kleine Fußnoten hinzu. Das könnte dann unter Umständen im Widerspruch zu unseren höheren Umweltstandards stehen. In diesem Bereich will ich Österreichs Standard natürlich nicht absenken, damit das ganz klar ist. Es könnte das unter Umständen zu bestimmten Übergangsfristen, die wir bei unserem Beitrittsvertrag ausgehandelt haben, im Widerspruch stehen.

Diese Bestimmungen sind davon ausgenommen. Manche Teilbereiche des Binnenmarktes sind innerhalb der Europäischen Union überhaupt noch in Diskussion. Ich erinnere etwa an die erst 1998 vorgesehene Volliberalisierung im Telekombereich. Es gibt diesbezüglich natürlich einige Punkte, die man ehrlicherweise anführen muß, aber prinzipiell stehe ich zu einem klaren und notwendigen Ja zu diesen Liberalisierungsschritten.

Präsident Josef Pfeifer: Wünschen Sie eine zweite Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Kapral: Herr Vizekanzler! Welche Haltung nehmen Sie in der Frage der Verletzung der Ausschreibungsbedingungen und damit natürlich auch der Wettbewerbsregeln beim Neubauvorhaben für die Landeshauptstadt St. Pölten ein?

Präsident Josef Pfeifer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Bundesrat! Ich unterstütze die Haltung des Landes Niederösterreich, und zwar aus vollem Herzen, wenn man auch formalrechtlich durchaus ein Haar in der Suppe finden kann. Aber wenn man dieses Projekt, das ja vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gestartet beziehungsweise ausgeschrieben wurde, wiederum gestoppt und eine europaweite Ausschreibung gemacht hätte, hätte das dazu geführt, daß in einer der schwierigsten Konjunkturkrisen der letzten zehn Jahre, in der sich Österreich befindet, auf einmal das größte Hochbauvorhaben der gesamten Republik Österreich zum Stillstand gekommen wäre und monatelang die Baustelle de facto verwaist gewesen wäre.

Also da muß ich ganz offen sagen: Wenn diesbezüglich jemand formalrechtliche Bedenken hat, dann soll er bitte auch die wirtschaftspolitischen Auswirkungen beachten. Daher bin ich als ehemaliger Wirtschaftsminister und heutiger Außenminister absolut an der Seite Niederösterreichs zu finden. (Beifall bei der ÖVP und Beifall des Bundesrates Kone#ny. )

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Wir kommen zur Anfrage Nr. 4: 647/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich), seine Anfrage zu verlesen.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Frage lautet:

647/M-BR/96

Wie beurteilen Sie nach den Präsidentschafts-, Parlaments- und Kantonalwahlen den Stand des Friedensprozesses in Bosnien-Herzegowina?

Präsident Josef Pfeifer: Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das ist ein Thema für eine sehr tiefschürfende und wahrscheinlich auch sehr ambivalente Beurteilung. Ich versuche es trotzdem ganz kurz. Ich beurteile ihn positiv, aber ich füge einige "aber" hinzu.


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