Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 16

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Das wichtigste war meiner Meinung nach, daß der Prozeß anhand der Zeitpläne, die in Dayton vor zehn Monaten vereinbart worden sind, wirklich anhält und weitergeht. Das halte ich für ungeheuer wichtig, denn damit behalten wir das Momentum für den Friedensprozeß.

Es ist auch zum Beispiel ungeheuer wichtig, daß diese Zentralwahl, die ja politisch nicht so relevant gewesen ist, denn de facto wurde ein Machtgleichgewicht, das es sowieso gibt, festgeschrieben – es kann quasi keine Volksgruppe die andere überstimmen, aber sie können einander blockieren –, stattgefunden hat, auch wenn sie nicht perfekt war, auch wenn es mit den berühmten P2-Formularen bei den Serben einen Schwindel gegeben hat, auch wenn die Flüchtlinge zum Teil daran gehindert wurden, in ihre frühere Heimat zurückzukehren. Das wissen wir alles. Das soll man auch beim Namen nennen. Wir sollen ja nicht den Eindruck erwecken, das war eine perfekte, faire und freie Wahl. Aber es ist wichtig, daß sie stattgefunden hat. – Das Wortspiel klingt in Englisch besser als in Deutsch: ballots instead of bullets. – Stimmzettel statt Gewehrkugeln.

Nach fünf Jahren ist der Krieg, der immerhin 200 000 Tote gefordert hat, Hunderttausende Verletzte, Millionen Vertriebene, einen volkswirtschaftlichen Schaden von mindestens etwa 40, 50 Milliarden Dollar bewirkt hat, dort zu einem Ende gekommen. Jetzt versucht man mühevoll, sich aneinander zu gewöhnen. Was am Ende herauskommen wird, weiß ich nicht. Ich hoffe, der Druck der Staatengemeinschaft wird auch in die Richtung gehen, daß man das Konzept der Föderation bewahrt, daß die Kroaten und Moslems miteinander auskommen.

Ich hoffe, daß man überdies an der Idee des Gesamtstaates Bosnien-Herzegowina inklusive Föderation und Republika Srpska festhält. Natürlich weiß ich auch, wie schwierig es ist, drei Völker in zwei Staaten, vier Währungen und drei verschiedene Wirtschaftsräume einzuteilen.

Das ist unglaublich schwierig, so etwas hat es meiner Meinung nach überhaupt noch nie gegeben, verehrter Verfassungsrechtler Herbert Schambeck! Es gibt kein Beispiel dafür. Trotzdem glaube ich, daß es enorm wichtig ist, daß dieser Prozeß anhält und daß man diesen weiter antreibt und daß man vor allem wirtschaftliche Erfolge anstrebt. Wenn sich die wirtschaftlichen Erfolge und wenn sich natürlich auch die internationale Staatengemeinschaft nicht mit entsprechenden finanziellen Mitteln einstellen, dann fangen dort wiederum die Konflikte an. Ich glaube, die einzige Hoffnung ist, daß die Menschen erkennen: Gemeinsam geht es besser.

Die Mehrheit in der Republika Srpska, die Mehrheit bei den Moslems oder Kroaten innerhalb der Föderation hat genug vom Krieg. Sie wollen ihre Ruhe und Arbeit und Brot. Es ist sehr schwierig – ich habe es im Ausschuß schon gesagt –, jetzt die Abrüstung der Armeen durchzusetzen. Armeen, die in beiden Teilen aus ungefähr 200 000 Profisoldaten bestanden, werden zu 80, 90 Prozent abgebaut, und plötzlich scheinen 150 000, 160 000 Leute mehr auf dem Arbeitsmarkt auf, die vorher wenigstens eine Uniform und ein bißchen etwas zum Essen gehabt haben und jetzt keinerlei Arbeitsmöglichkeit mehr haben.

Das sind die wahren Probleme, nicht die juristischen Spintisierereien. Darum muß man – und diesbezüglich bitte ich um Verständnis – von seiten der europäischen Völker diesen Prozeß auch alimentieren und dabei helfen. Es wäre eine Schande, wenn sich Europa, Amerika, der arabische Raum oder Japan jetzt, nachdem sich die Dinge endlich positiv entwickeln, zurückziehen und sagen: Wir zahlen nicht mehr. Das würde ich für ein wirkliches Drama halten. Jeder, der derartiges propagiert, hat dafür Verantwortung zu tragen.

Präsident Josef Pfeifer: Eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann: Herr Vizekanzler! Können Sie kurz eine Bilanz über den Wahlablauf bei den letzten Wahlen geben?

Präsident Josef Pfeifer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich glaube, daß der Ablauf der Zentralwahlen nicht perfekt gewesen ist – das habe ich schon erwähnt –, aber ich glaube, daß man diese Wahlen insgesamt – so haben es ja auch der zu


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