Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 36

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die ihm der Bundeskanzler in die Slowakei nachgeschickt hatte. Es ist ein schlechter Stil, wenn man dem Außenminister in den Rücken fällt, noch dazu in einem Nachbarland. – So reagierte Außenminister Wolfgang Schüssel gegenüber der Presse auf die Ratschläge von Bundeskanzler Vranitzky vom Vortag, heißt es da:

Eric Frey spricht sehr zutreffend von einer Doppelconference, wenn er im "Standard" schreibt: Niemand soll behaupten, die österreichische Außenpolitik habe keinen Unterhaltungswert. Ob die Haltung zu Kroatien oder der Beitritt zur WEU – das Programm läuft nach dem gleichen Muster ab: Der Außenminister gibt zu einem heiklen Thema eine Erklärung ab, sofort meldet sich der Bundeskanzler zu Wort und behauptet das Gegenteil. Das nächste Mal läuft es umgekehrt: Der Kanzler sagt etwas – der Außenminister widerspricht.

Zum Beispiel auch beim Thema Slowakei. Dazu schreibt Eric Frey – ich zitiere –: "Beide Positionen sind legitim. Eine Regierung kann sie aber nicht gleichzeitig vertreten. Wieso können Vranitzky und Schüssel ihre außenpolitischen Positionen nicht miteinander absprechen, bevor sie öffentliche Erklärungen abgeben? Dem Ansehen und Einfluß Österreichs würde das nicht schaden."

Wie recht er damit hat, zeigen auch Pressestimmen aus internationalen Medien, wenn etwa die angesehene Zeitung "Die Welt" schreibt: "Seltsam ist, wie der sozialistische Innenminister seinen ehemaligen Kabinettskollegen Ex-Außenminister Alois Mock, wegen dessen – so Einem –, verfehlter Jugoslawien-Politik‘ attackiert. Bisher war es nicht üblich, daß eine Regierung auf diese Weise ihre eigene Außenpolitik desavouiert. ... Das Bild, das die österreichische Führung in der Sicherheitsfrage bietet, ist aber nicht nur wegen der exzentrischen Ausfälle des pazifistischen Innenministers höchst seltsam. In der SPÖ hat sich der Abgeordnete Josef Cap für den NATO-Beitritt ausgesprochen und wurde sofort vom Kanzler zurückgepfiffen.

Aber auch in der ÖVP sind die Positionen diffus. Verteidigungsminister Fasslabend fordert den Beitritt, ÖVP-Fraktionschef Andreas Khol aber lehnt ihn ab, weil Österreich der NATO, ‚so wie diese heute ist’, nicht beitreten könne. ... Wenn dann am Ende ÖVP-Chef Vizekanzler und Außenminister Schüssel ein wenig kryptisch feststellt, Österreich müsse der im ‚Kräftedreieck EU–WEU–NATO’ entstehenden ‚Solidargemeinschaft‘ als Vollmitglied beitreten – und damit wiederum seinem Kanzler und Koalitionspartner sowie dem Innenminister in die Parade fährt –, bleibt nur Verwirrung zurück. Was wollen eigentlich die Österreicher?" – Zitat aus der "Welt".

Peinlichkeiten, wer wann wo zu welchen Unterschriftsleistungen berechtigt ist, werden dann nur noch übertroffen von geradezu haarsträubend einseitigen Aktionen, wie sie sich in der Haltung der Bundesregierung zum Beispiel zu China dokumentieren. Um dem für das Massaker am Tiananmen-Platz verantwortlichen chinesischen Regierungschef Li Peng einen ungestörten Besuch in Österreich zu bescheren, wurden mir nichts, dir nichts sogar Grundrechte österreichischer Bürger außer Kraft gesetzt und ein Demonstrationsverbot erlassen. Auch beim Gegenbesuch des österreichischen Bundeskanzlers wurden lästige Themen, wie zum Beispiel die schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Tibet, peinlichst vermieden.

Einer solchen Außenpolitik fehlen nicht nur die Visionen, sondern auch jegliches Gespür für Menschenrechte.

Es wird auch auf die Dauer nicht angehen, eine Außenpolitik zu vertreten, die sich in einer der zentralen Fragen für Österreich und Europa, nämlich die Sicherheitsfrage, verschweigt. Auch hier zitiere ich "Die Welt", einen Artikel von Carl-Gustaf Ströhm vom 2. Oktober dieses Jahres:

"Die österreichische Außen- und Sicherheitspolitik gerät in eine immer seltsamere Situation. Während die benachbarten ‚postkommunistischen’ Staaten wie Tschechien, Slowenien oder Ungarn alles daransetzen, um möglichst bald in die NATO aufgenommen zu werden, verspricht der Spitzenkandidat der regierenden österreichischen Sozialdemokraten bei der bevorstehenden Europawahl, er wolle sich im Europaparlament besonders für die Bewahrung der österreichischen ‚Neutralität‘ einsetzen. ... Solange aber die Wiener Regierung keinerlei klares Verteidigungskonzept akzeptiert und keine klare sicherheitspolitische Linie erkennen läßt – auch die Frage Berufsheer oder Wehrpflicht hängt in der Luft –, kann die Alpenrepublik nur hoffen, auch


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