Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 42

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Gerade im Vorfeld der EU-Wahlen wurden immer wieder Stimmen laut, die der EU die Schuld an der unerfreulichen Situation unserer Staatsfinanzen und an dem damit verbundenen Sparpaket zugeschrieben haben und dies auch leider weiterhin tun. Richtig ist, daß die Voraussetzung für die Teilnahme an der Währungsunion eine strikt eingehaltene Stabilitätspolitik ist.

Österreich teilt mit der überwältigenden Mehrheit der EU-Staaten die Auffassung, daß die Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages keinesfalls aufgeweicht werden dürfen, auch wenn wir von der Erfüllung der Kriterien selbst noch ein gutes Stück entfernt sind. Aber – das möchte ich, meine Damen und Herren, eindringlich betonen – die geforderte Haushaltsdisziplin ist nicht Selbstzweck und schon gar nicht eine Art Bosheitsakt aus Brüssel. Die Sanierung der Staatsfinanzen liegt in unserem ureigensten Interesse. Die Sanierung der Staatsfinanzen müssen wir mit und ohne EU bewältigen. Allerdings wäre diese Aufgabe ohne EU-Beitritt noch viel schwieriger gewesen. Die wirtschaftliche Situation in unserem Land stellt sich zurzeit sicherlich nicht so rosig dar, wie wir uns das alle wünschen würden. Allerdings – das möchte ich schon festhalten –: Wären wir nicht der EU beigetreten, dann wäre die Situation für unser Land noch um einiges unerfreulicher. Werfen Sie einen Blick in die Schweiz, und reden Sie mit Schweizer Kollegen! – Dann werden Sie einen Eindruck davon gewinnen, was es bedeutet, zunehmend in die Isolation zu geraten.

Um aber wieder auf die Währungsunion zurückzukommen: Bei allen notwendigen Anstrengungen und auch Schwierigkeiten bin ich doch überzeugt, daß Österreich die Voraussetzungen für die Teilnahme an der gemeinsamen Währung erfüllen wird. Es muß unser Ziel sein, daß Österreich 1998, wenn die Entscheidung über den Kreis der Teilnehmer getroffen wird, in diesem Kreis dabei ist. Die Wirtschafts- und Währungsunion ist nicht nur ein Projekt, das wirtschaftlichen Nutzen bringt. Die Umsetzung der WWU wird entscheidend dazu beitragen, den Zusammenhalt der EU-Staaten sowie den europäischen Einigungsprozeß zu stärken.

Aber nun zum nächsten Punkt. Im Zusammenhang mit der Währungsunion habe ich bereits das Jahr 1998 angesprochen. Dieses Jahr ist aber auch für uns insofern von besonderer Bedeutung, als Österreich im zweiten Halbjahr die EU-Präsidentschaft innehaben wird. Das bedeutet, daß Österreich im Europäischen Rat, in allen Fachministerräten und in den 200 Ratsarbeitsgruppen den Vorsitz stellt und die gesamte EU-Politik in diesen sechs Monaten leitet und steuert.

Anzumerken ist dabei auch, daß 1998 zu einem europapolitischen Schlüsseljahr werden könnte. Mit der Vorbereitung der dritten Stufe der WWU, der Umsetzung der Beschlüsse der Regierungskonferenz, den Beitrittsverhandlungen mit Zypern, Malta und den zentral- und osteuropäischen Ländern sowie den Vorarbeiten für das Finanzpaket 2000 wird eine ganze Reihe wichtiger und sensibler Themen auf der Tagesordnung stehen. Dies bedeutet, daß die gründliche organisatorische und inhaltliche Vorbereitung des österreichischen EU-Vorsitzes die zentrale Aufgabe der österreichischen Integrationspolitik darstellt und darstellen wird. In diesem Zusammenhang möchte ich auch appellieren, daß wir in Österreich weitgehend, soweit es eben möglich ist, an einem gemeinsamen Strang ziehen.

Meine Damen und Herren! Ich habe bereits kurz das Thema EU-Beitritt zentraleuropäischer Staaten angeschnitten. Im Dezember vorigen Jahres hat der Europäische Rat in Madrid die grundsätzliche Bereitschaft der EU zur Eröffnung von Beitrittsverhandlungen nach der Regierungskonferenz und nach Vorliegen erforderlicher Stellungnahmen und Berichte der Kommission erklärt.

Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Beitritt dieser Länder für die EU die Bewältigung einer Reihe von schwierigen Aufgaben bedeutet. Aber ich möchte an dieser Stelle meiner Meinung Ausdruck geben, daß die Europäische Union ihrem Namen und ihren Zielen erst dann wirklich gerecht wird, wenn auch die zentral- und osteuropäischen Staaten zum Mitgliederkreis zählen. Und gerade Österreich, das geographisch und historisch so eng mit diesen Staaten verbunden ist, muß ein besonders hohes Interesse an deren Beitritt haben. Deshalb sollten wir alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um die genannten Staaten bei ihren Bemühungen um einen EU-Beitritt tatkräftig zu unterstützen.


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