Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 44

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herzlich bei den Damen und Herren im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten bedanken, insbesondere auch beim Koordinator zur Erstellung dieses Außenpolitischen Berichtes, der heute hier zur Diskussion steht, Herrn Gesandten Dr. Knitel. Sie haben eine wirklich hervorragende Arbeit geleistet und einen umfassenden Bericht über alle Aktivitäten und auch über den Stand der österreichischen Außenpolitik geliefert.

Wenn die freiheitliche Fraktion hier im Bundesrat heute diesen Außenpolitischen Bericht entgegen dem Antrag nicht zur Kenntnis nimmt, dann hängt dies ausschließlich mit der politischen Linie, mit der Tendenz, die die österreichische Außenpolitik kennzeichnet und die auch in diesem Bericht zum Ausdruck kommt, zusammen. Damit soll der Faktensammlung und der damit verbundenen Arbeit kein Abbruch getan werden.

Über den Kernpunkt des Außenpolitischen Berichtes, nämlich das erste Jahr der Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union, ist bereits mehrfach gesprochen worden. Ich darf in diesem Zusammenhang auf ein aktuelleres Thema zu sprechen kommen, das sowohl im Ausschuß als auch heute hier in der Fragestunde zur Diskussion stand, zu dem ich aber noch einige Aspekte aufzeigen möchte, nämlich die Arbeiten in der Regierungskonferenz 1996 und in diesem Zusammenhang vor allem auch die Ergebnisse des sogenannten Gipfels von Dublin.

Sicherlich ist es nicht das Ziel der Regierungskonferenz, eine vollständige Reform der Europäischen Union herbeizuführen und anzustreben. Es ist richtig, daß die Europäische Integration durch schrittweise Fortschritte gekennzeichnet ist und nicht von dramatischen Sprüngen nach vorne, wie dies der Herr Bundesminister zum Ausdruck gebracht hat. Auf der anderen Seite war aber in Dublin deutlich zu hören, daß es nur ein zähes Ringen um eine Reform der Europäischen Union gibt und daß ein Scheitern der Regierungskonferenz – sie soll ja erst Ende Juni 1997 abgeschlossen sein – heute zwar noch nicht vorhergesagt werden sollte, daß aber über dieses Scheitern in dem einen oder anderen Kommentar schon gelegentlich zu lesen ist.

Was mich in diesem Zusammenhang aber mehr beschäftigt, ist die Gefahr von Scheinlösungen, die dann beschlossen werden könnten, wenn im Zeitplan Verzögerungen auftreten, Scheinlösungen in der Form, daß in letzter Minute rasche Entscheidungen getroffen werden, um der breiten Öffentlichkeit zu signalisieren, daß man sehr wohl in der besagten Reform weitergekommen ist. Es besteht die Gefahr, daß das, was das Wesentliche der Regierungskonferenz ist, nämlich die Notwendigkeit von Korrekturen der Entwicklung, Korrekturen an den Entscheidungen von Maastricht und an der Entwicklung seither beziehungsweise an der Ausführung der Beschlüsse von Maastricht, dann in einem Ad-hoc-Verfahren erledigt wird. Das ist sicherlich auf der einen Seite ein sehr ehrgeiziges Unterfangen, auf der anderen Seite zeigt sich aber auch, daß bei den Bürgerinnen und Bürgern der einzelnen Mitgliedsländer die Bereitschaft, weitere Integrationsschritte zu akzeptieren, nicht im gleichen Ausmaß vorhanden ist.

Der Gipfel von Dublin hat jedenfalls, so ist mein Eindruck, keine Impulse für die Reform gebracht, sondern sich letztendlich nur zu einer Bekräftigung des Terminplanes aufraffen können, wobei zwischen den Zeilen und zwischen den Worten immer die Hoffnung mitgeschwungen ist, daß man nach den Wahlen in Großbritannien – das ist ja mit eine der Schwierigkeiten, nämlich das Verhalten Großbritanniens –, die spätestens bis Mai 1997 stattfinden werden müssen, vielleicht klüger sein wird. Natürlich steht dann nur mehr eine sehr kurze Zeitspanne bis zur Beendigung der Regierungskonferenz, die im Juni 1997 vorgesehen ist, zur Verfügung. Die Gefahr übereilter Beschlüsse ist also nicht ganz von der Hand zu weisen.

Auch schöne Worte von Bundeskanzler Vranitzky, daß der Zeitplan nicht auf Kosten der Substanz gehen dürfe, dürfen über dieses Dilemma nicht hinwegtäuschen. Es ist im gegenwärtigen Zeitpunkt sicherlich noch völlig offen, ob tatsächlich substantielle Fortschritte erzielt werden können, entgegen den öffentlich geäußerten positiven Interpretationen der Verhandlungen im Rahmen der Regierungskonferenz – eine Skepsis, die auch vom Vizekanzler und Außenminister in der Beratung des Außenpolitischen Ausschusses zum Ausdruck gebracht wurde.


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