Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 46

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In der Fragestunde ist im Zusammenhang mit der Schwerpunktsetzung für die Regierungskonferenz vom Herrn Vizekanzler und Außenminister auch auf die Frage der Menschenrechte und deren Einhaltung verwiesen worden. Die Einhaltung der Menschenrechte muß meiner Meinung nach ungeteilt gelten und natürlich auch jene Unrechtshandlungen erfassen, die in der Vergangenheit gesetzt wurden. In einer Anfragebeantwortung haben Sie, Herr Vizekanzler und Außenminister, auf den noch zu erstellenden Avis für einen allfälligen Beitritt zum Beispiel Tschechiens oder Sloweniens hingewiesen und darauf verwiesen, daß in diesem Zusammenhang auch auf die Frage der deutschen Volksgruppen, was auch heute in der Fragestunde ein Thema war, oder der Vertriebenen eingegangen werden sollte.

Es ist sicherlich richtig, daß sich diese Frage derzeit nicht in ihrem vollen Umfang stellt. Österreich wird aber spätestens bei der Ausarbeitung des Avis hiezu Stellung beziehen müssen. Es stellt sich für mich die Frage, ob Österreich nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt, in einem früheren Stadium, zum Beispiel auf diplomatischem Weg, seine Vorstellungen vorbringen sollte. Insoferne ist der Hinweis auf den Zeitpunkt des Avis unbefriedigend. Wir wollten dieses Thema ursprünglich zum Gegenstand einer Anfragebesprechung machen, es bietet sich aber natürlich auch die Diskussion über den Außenpolitischen Bericht dazu an, das Thema anzuschneiden. Es geht doch vor allem darum, schon jetzt zum Beispiel in der Frage der Aufhebung der sogenannten Benesch-Dekrete oder zum Beispiel auch in der Frage der Volksgruppenanerkennung und der Vertriebenen-Rechte von Österreich aus aktiv zu werden und entsprechende Schritte zu setzen.

Wenn ich den Außenpolitischen Bericht in seinen Einzelheiten studiere, so sticht ein spezielles Thema ins Auge – und dieses Thema möchte ich hier herausgreifen und abhandeln –, das auch im Konnex mit unserer Mitgliedschaft bei der EU steht.

Auf Seite 6 heißt es unter der Überschrift "Die Europäische Union – die Mitgliedschaft Österreichs" – ich darf das zitieren –: "Durch das Eintreten gegen eine EU-Finanzierung für die Fertigstellung des slowakischen Kernkraftwerkes Mochovce und gegen die französischen Atomtests im Südpazifik wurden klare Akzente gesetzt."

Österreich war erfolgreich. Österreich hat erreicht, daß eine Finanzierung durch die Europäische Bank für Entwicklung und Wiederaufbau nicht erfolgt ist. Aber was waren und was sind letztlich die Konsequenzen dieser Aktivität? – Die ursprünglich vorgesehene volle Mitwirkung der Finanzierungsländer und damit der Europäischen Union an der Sicherheitsbeurteilung ist hinfällig. Die Stillegung von Bohunice, einem weiteren in Betrieb befindlichen Kernkraftwerk, ist ebenfalls hinfällig. Diese war eine der Voraussetzungen für die EBRD-Finanzierung.

Tatsächlich wird aber Mochovce gebaut, laut dem vorliegenden Außenpolitischen Bericht alle vier Blöcke mit angeblich um 10 bis 20 Prozent geringeren Kosten, und zwar ohne Sicherheitsbeurteilung nach westlichen Standards. Es bleibt offen, was das bedeutet, wo hier gespart wird. Ich hoffe sehr, nicht an den Sicherheitseinrichtungen, die unseren Standards entsprechen könnten. Näheres ist dazu jedenfalls nicht bekannt.

Bohunice wird nicht geschlossen, sondern es wird aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung vom Sommer dieses Jahres "ertüchtigt" – was immer das sein mag – und soll ab 1999 in Vollbetrieb für weitere Jahre – für wie viele bleibt offen – arbeiten, wovon hier von einer Periode von zehn Jahren gesprochen wird.

Aus dieser mit großem Aplomb im Berichtsjahr 1995 von der Bundesregierung erfolgten Anti-Atom-Politik, vor allem was unsere Nachbarländer anlangt – vom Bundeskanzler mit Vehemenz vertreten –, ist nichts übriggeblieben. Geblieben ist die Angst in der Bevölkerung vor unbekannten Gefahren, die man im Zusammenhang mit dieser Anti-Atom-Politik geschürt hat, die heute noch natürlich als groß eingeschätzt werden.

Die Anti-Atom-Politik ist letztlich daran gescheitert, daß Österreich eine reine Verhinderungsstrategie verfolgt hat, ohne gleichzeitig den betroffenen Ländern tatsächlich Hilfestellung zu bieten, damit diese die mit einer Schließung dieser Atomkraftwerke verbundenen Probleme auch tat


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