Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 56

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Meine sehr Verehrten! Besonders betroffen sind auch die Kinder. Stark betroffen von den häufigen Wechseln der Dienst- und Wohnorte, alle vier Jahre, sind die Kinder der öffentlich Bediensteten im Ausland. Das zeigt sich auch in schulischen Problemen, bei Anpassungs- und Umstellungsschwierigkeiten. Ich gebe zwar zu, daß die Sprachkenntnisse der Diplomatenkinder natürlich entsprechend gut sind und über dem Durchschnitt der anderen liegen, aber es gibt daneben eine Unzahl von anderen Problemen.

Die Kosten von Hochschul- und Universitätsausbildung im Ausland können aufgrund fehlenden Einvernehmens mit dem Finanzministerium zum Teil höchstens bis zum 19. Lebensjahr ersetzt werden, obwohl vergleichbare Inlandsstudien, meine Damen und Herren, kostenlos sind und im Ausland gezahlt werden müssen. Dies bewirkt entweder eine erhöhte Kostenbelastung des Bediensteten oder eine Trennung studierender Kinder von ihren Eltern. Ich könnte jetzt die klingendsten Namen der Kinder angesehenster Österreicher nennen, hinauf bis zu der Familie des Herrn Bundespräsidenten Dr. Klestil, die großartige Leistungen auf ihrem Bildungsweg erbracht haben, die heute nicht wegdenkbar sind – so ist der Sohn des Dr. Klestil ein bedeutender Arzt in Innsbruck –, und die das im Alleingang gemacht haben, weil die Eltern nicht da gewesen sind.

Glauben Sie es mir – ich weiß es aus meinem eigenen Leben, weil ich jetzt alleine bin –: Es ist ein großer Unterschied, ob sie ins Nachbarzimmer gehen können und mit ihrem Vater, mit ihrer Mutter oder mit jemand anderem reden, oder ob sie den ganzen Weg ihrer Ausbildung alleine zurücklegen. Ich würde heute hier nicht vor Ihnen stehen, wenn ich mein Leben zum Großteil hätte alleine bewältigen müssen. Ich habe eine große Achtung vor all diesen Kindern, die das alleine bewältigen, und es tut mir sehr leid, wenn diese Diplomatenfamilien zurückkommen und die Eltern bei Schulen Schwierigkeiten haben, die Kinder unterzubringen, und ihnen die Zeiten oft nicht angerechnet werden.

Meine sehr Verehrten! Die Kostenbeteiligung der Eltern bei Schulbüchern und Schulfahrten ist analog zu den in Österreich geltenden Regelungen auch bedenkenswert. Dazu kommt natürlich noch eines: Ich werde morgen bei einem internationalen Kongreß in Rom über Entwicklung der Familie und Familienaktivitäten zu sprechen haben, aber ich sage Ihnen jetzt schon, schauen Sie sich einmal die Scheidungszahlen bei den Diplomaten und bei den anderen an, weil die Beanspruchungen unterschiedlich sind. Hier ist es oft nicht leicht, und es entstehen auch Versorgungsprobleme von nicht leichter Art. Auch darüber wollte ich heute, Herr Vizekanzler, Hoher Bundesrat, sprechen, weil das Österreicherinnen und Österreicher betrifft, die für uns, für die Republik, im Ausland tätig sind.

Der Bericht, der uns heute über das Jahr 1995 vorliegt, ist der erste Bericht des Außenministers, der sich bereits auf die Zeit der Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union bezieht. Ich freue mich, daß ich bei einem Großteil meiner Herren Vorredner auch ein Ja zu dieser Europäischen Integration und unserer Teilnahme hören konnte. Der Meinung der Österreichischen Volkspartei, die auf die Teilnahme Österreichs an der Europäischen Integration gerichtet war, haben sich viele angeschlossen; manche haben ihre Meinung inzwischen geändert. Talentierte Wahlkämpfer sind je nach Lage ihrer Studie des Ortes wie ein Wanderzirkus aufgetreten. Da wird der Mensch sich mählich unbekannt und wie ein minderer Komödiant, der einlernt jede Geste und Gebärde – so schreibt Anton Wildgans im Gedicht "Tiefer Blick". Das ist dann jener Typ, der am Nachmittag als Vogelhändler auftritt, am späten Nachmittag als Troubadour, und wenn die Musik zum Träumen beginnt, die Frage des Hamlets nach Sein oder Nichtsein stellt, meine Damen und Herren! Das ist so der Durchschnitt der Politiker, der da auftritt und die Leute rhetorisch berieselt.

Hier, meine Damen und Herren, müssen wir ein Ja zur Europäischen Integration feststellen. Ich möchte Herrn Vizekanzler und Außenminister Dr. Schüssel aufrichtig dazu gratulieren, daß er bei der EU-Wahl das beste politische Ergebnis nach Hause gebracht hat, weil die Österreichische Volkspartei, bei der ich die Ehre habe, Fraktionsobmann zu sein, die meisten Mandate – sieben Mandate! – für das Europäischen Parlament erobert hat. (Beifall bei der ÖVP.)


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