Bundesrat Stenographisches Protokoll 617. Sitzung / Seite 84

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sich nämlich auf Personen, die aufgrund einer oder mehrerer vertraglicher Vereinbarungen dienstnehmerähnlich für einen Auftraggeber gegen Entgelt beschäftigt sind.

Es ist also beiden gemeinsam, daß sie für einen Auftraggeber beschäftigt sind und dafür bezahlt werden. Sie beziehen also ein Honorar. Warum soll man da jetzt unbedingt Unterscheidungskriterien mit unterschiedlichen Rechtsfolgen einbauen, wenn die Abgrenzung so schwierig ist?

Es gibt also mögliche Beispiele für freie Dienstverträge. Darunter fallen Bauleiter oder Buchhalter. Auch Schneeräumer und Fahrlehrer sollen angeblich darunterfallen. Das wären die freien Dienstverträge.

Bei den dienstnehmerähnlichen Vereinbarungen wird aber die menschliche Arbeitsleistung in den Vordergrund gerückt – als ob die anderen nicht auch Menschen wären, die eine Arbeit leisten. Es muß auch keine nennenswerte eigene unternehmerische Struktur vorhanden sein, was bei einem Schneeräumer, der außer einer Schaufel nichts braucht, auch nicht unbedingt gegeben ist. Daher finden die Unterscheidungskriterien in diesen beiden Fällen keine Anwendung, aber möglicherweise greifen andere Unterscheidungskriterien Platz. Man hat in der Wirtschaftskammer versucht, das zu strukturieren: Es gibt neun Kriterien, nach denen man beurteilen muß, ob es sich um einen normalen Dienstnehmer, einen freien Dienstnehmer oder einen dienstnehmerähnlichen Auftragnehmer handelt. Wobei man den echten Werkvertrag da schon ausgeklammert hat, denn der echte Werkvertrag hängt wohl offenbar jetzt nicht mehr an der Definition des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, sondern hängt einfach daran, ob derjenige selbst aufgrund seiner Tätigkeit Sozialversicherung zahlt oder nicht.

Ich möchte Sie nicht langweilen mit den einzelnen Unterscheidungsmerkmalen. Nur wenn Sie sich das bitte durchlesen – Sie haben das auch bekommen, Dr. Kaufmann, das ist mir schon klar – und zu Gemüte führen, dann werden Sie sich auch selbst fragen, wozu dann das Ganze – von der Möglichkeit der Verfassungswidrigkeit gar nicht zu reden. Das Problem der Kolporteure darf ich offenbar gar nicht mehr ansprechen, denn der Vertreter des Ministeriums im Ausschuß hat gesagt: Das Problem der Kolporteure ist gar keines mehr, weil es ein oberstgerichtliches Erkenntnis gibt, daß diese Dienstnehmer sind und daher gar nicht unter diese Regelung fallen.

Jetzt frage ich Sie: Was hat eine Ausnahmebestimmung für eine bestimmte Personen- oder Beschäftigtengruppe in einem Gesetz zu suchen, das für sie nicht zutrifft, weil sie ohnehin Dienstnehmer sind? Das nur zur Gesetzgebungskultur, mit der wir uns hier auseinandersetzen müssen.

Warum also überhaupt diese sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung mit all dem Verwaltungsaufwand, der auf uns zukommt, und mit all den Haftungen, die der Staatsbürger für etwas, wo der Gesetzgeber die Unterscheidungskriterien selbst nicht eindeutig klarlegen kann, übernehmen muß? Warum ist es nicht möglich, zu sagen, das alles sind selbständig Erwerbstätige? – Ganz gleich, ob sie einen Gewerbeschein besitzen oder nicht, sie unterliegen entweder dem gewerblich selbständigen oder dem freiberuflich selbständigen Sozialversicherungsgesetz und den darin festgelegten Beiträgen, und als eigenverantwortliche Staatsbürger sind sie selbst verantwortlich für das Abführen der Sozialversicherung und das Abführen ihrer Steuer.

Ich sehe, daß die Kollegen von der sozialdemokratischen Seite den Kopf schütteln. Das ist der Marx in der ganzen Angelegenheit, denn Sie alle zwangsbeglücken und sehen für diejenigen Strafbestimmungen vor, die dafür verantwortlich sein müssen, daß sie Inkassodienste – kostenlos natürlich – für den Staat leisten. Daß bei dem Ganzen ein Murks herauskommt, das wissen Sie alle selbst, sonst würden Sie ja nicht die Kommission ins Leben rufen und sagen, wir reparieren die Reparatur der Reparatur.

Sie beschließen jetzt eine Novelle – und ich darf Sie bitten, sich das wirklich vor Augen zu halten –, die an den wesentlichen Problemen, die mit der Einführung der Werkvertragsregelung geschaffen wurden, nichts ändert. Sie ändern nichts daran, daß es eine mögliche soziale Schlechterstellung für Dienstnehmer gibt, weil die Unternehmen auf billigere neue Vertragstypen ausweichen können – legal, bitte! Sie vernichten Arbeitsplätze, denn es gibt Gewerbebetriebe,


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