und ladinischen Volksgruppe stimmte dem Verhandlungsergebnis auf ihrer Landesversammlung vom 22. November 1969 mit einer knappen Mehrheit von nur 52 Prozent zu.
Eine starke Minderheit in der Partei sah im Paket nicht das notwendige Instrumentarium, um das Überleben der Volksgruppe auch für die Zukunft zu sichern. Selbst die Mehrheit – und das ist für die heutige Diskussion entscheidend – bewertete das Paket nicht als endgültige Lösung, sondern nur als Übergangslösung der Südtirol-Frage. Zudem bekräftigte auch die Mehrheit den Anspruch auf das Selbstbestimmungsrecht, das den Südtirolern nach dem Ersten wie nach dem Zweiten Weltkrieg jeweils verweigert wurde.
Das Paket führte zu einem neuen Autonomiestatut, das im Jänner 1972 in Kraft getreten ist und eine Reihe von Neuerungen für die Volksgruppe gebracht hat. Tatsächlich trat in den siebziger Jahren mit der schrittweisen Umsetzung der neuen Autonomie eine Verbesserung der Lage auf minderheitenrechtlichem, politischem, sozialem und wirtschaftlichem Gebiet ein.
Nach den Jahrzehnten der faschistischen Unterdrückung und der seit 1946 allgegenwärtig spürbaren Diskriminierung, die die Südtiroler im eigenen Land zu Bürgern zweiter Klasse machte, führte dieser Aufschwung zu einer Stärkung des Selbstbewußtseins der Südtiroler. Starke psychologische Schäden mußten schrittweise behoben werden und sind teilweise bis heute noch nicht überwunden. Dazu zählt auch ein gewisser sprachlicher Minderwertigkeitskomplex im Umgang mit den Italienern, der erst langsam von der jüngeren Generation, die im Klima der "Fast-Gleichberechtigung" der deutschen und der italienischen Sprache aufwächst, abgebaut wird.
Die zentrale Grundfrage blieb jedoch trotz Paket ungelöst. Südtirol ist nach wie vor fester Bestandteil des italienischen Staatsverbandes und Tirol immer noch ein geteiltes Land. Man hat es sich mit dem Paket zwar erstmals seit 1918 im fremden Staat einigermaßen lebenswert einrichten können, mitten durch das Land zieht sich aber weiterhin diese 1919 durch den Staatsvertrag von St. Germain aufgezwungene Grenze.
Die Realität in Südtirol hatte sich zudem seit 1918 in einer besonderen Weise gewandelt. Durch eine massive Einwanderungspolitik lebt nun eine beachtliche italienische Minderheit im Land Südtirol, die 1972 beim Inkrafttreten des neuen Autonomiestatuts immerhin schon 33 Prozent der Gesamtbevölkerung ausgemacht hat – gegenüber 3 Prozent im Jahre 1918.
Anfang der achtziger Jahre veränderte sich die politische Landschaft in Südtirol nachhaltig. Eine immer stärker werdende Gruppe innerhalb der deutschen Volksgruppe brachte nach über zehn Jahren des Schweigens die Selbstbestimmungsfrage wieder aufs Tapet. Die jüngere Generation wurde mit einer ihr bisher unbekannten Möglichkeit zur Lösung der Südtirol-Frage konfrontiert.
Seit dem Freiheitskampf der sechziger Jahre war kaum mehr über das Menschenrecht der Selbstbestimmung in Südtirol selbst gesprochen worden. Die neue Diskussion fand ein auffallend gutes Echo in der Bevölkerung und ein positives Interesse vor allem bei der Jugend, die sich noch mit den letzten Regungen der neuen Linken und der Friedensbewegung auseinandersetzte.
War die Selbstbestimmungsdiskussion bis in die sechziger Jahre hinein vom Wunsch geprägt gewesen, wieder zum Vaterland Österreich zurückzukehren, so forderte nun der Wortführer des Selbstbestimmungsgedankens, der Südtiroler Heimatbund, einen Freistaat Südtirol. Diese Tatsache zeigt, wie sehr man sich in der Zwischenzeit in Tirol von Nord und Süd auch schon entfernt hatte. Dieser Umstand machte es notwendig, daß die Selbstbestimmungsbefürworter ihr Ziel einer Loslösung von Italien als Freistaat propagierten, um auch einen erhofften Anklang zu finden.
Die offizielle Politik in Südtirol hatte sich ausschließlich auf das konservierende Abschotten Richtung Süden konzentriert, gleichzeitig aber die Kontakte und Bindungen nach Österreich, durch die Kultur und Gesellschaft lebensnotwendige Impulse erhalten hätte sollen, bewußt oder unbewußt vernachlässigt und für zahlreiche Bevölkerungsgruppen überhaupt abbrechen lassen. Die aufkeimende Selbstbestimmungsdiskussion fand daher keineswegs nur Zustimmung.
Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite