Bundesrat Stenographisches Protokoll 620. Sitzung / Seite 94

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Statt Entbürokratisierung und Deregulierung ist dieses Öffnungszeitengesetz nur ein weiterer Baustein im österreichischen Gesetzesdschungel, der nicht nur das Wirtschaften erschwert, sondern darüber hinaus undurchsichtig und undurchschaubar ist und letztlich auch einen Status der Rechtsunsicherheit schafft. Schon alleine aus diesem Grunde werden wir Freiheitlichen dem Öffnungszeitengesetz unsere Zustimmung verwehren.

Betrachten wir aber nun das neue Öffnungszeitengesetz aus der Sicht des Unternehmers, der, wenn er den beschriebenen Gesetzes- und Verordnungsdschungel durchblickt und alle Anträge gesammelt und gestellt hat, nun tatsächlich sein Geschäft nach dem Gesamtoffenhalterahmen, so der Terminus technicus, von 66 Wochenstunden oder nach den entsprechenden Möglichkeiten auch am Sonntag öffnet. Er wird das tun, um sich nicht von vornherein von der Möglichkeit auszuschließen, tatsächlich einen Mehrumsatz zu erzielen.

Aber wird er das auch tatsächlich schaffen? – Wir wissen, daß der Österreicher sein Wochenende sehr gerne nützt, um im benachbarten Ausland einzukaufen. Der Kaufkraftabfluß für 1996 wird schon jetzt mit rund 31 Milliarden Schilling beziffert.

Dieser Kaufkraftabfluß kann nicht mit einem neuen Öffnungszeitengesetz bekämpft werden, sehr geehrter Herr Minister, sondern er kann nur mit einer gerechteren Politik in Österreich bekämpft werden, mit einem gerechteren Steuersystem, das es den österreichischen Betrieben erlaubt, den Preiskampf mit dem billigeren Ausland aufzunehmen. Wo sind denn die schützenden Begleitmaßnahmen für den österreichischen Handel, Herr Minister, die Sie und ihre Vorgänger den heimischen Betrieben versprochen haben? Wo ist beispielsweise das Ergebnis des Eurofit-Programmes, das der damalige Wirtschaftsminister Schüssel so großartig versprochen hat?

Das Ergebnis Ihrer Politik nach dem EU-Beitritt ist hingegen der Verlust Tausender Arbeitsplätze im Handel und das Zusperren Hunderter Klein- und Mittelbetriebe. Heute so zu tun, als sei das Öffnungszeitengesetz der Stein der Weisen für den Handel, ist mehr als scheinheilig. Dieses Öffnungszeitengesetz ist bestenfalls Makulatur.

Die Verlängerung der Öffnungszeiten bedeutet nicht automatisch mehr Umsatz und mehr Gewinn. Es bedeutet aber jedenfalls mehr Kosten, mehr Aufwand und weniger Freizeit für die Mitarbeiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mitarbeitersituation scheint man bei der Erstellung dieses Gesetzes überhaupt sträflich vernachlässigt zu haben. Das Öffnungszeitengesetz ist in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach schlichtweg ein Husch-pfusch-Gesetz. Denn wenn man über die sogenannte Liberalisierung der Öffnungszeiten Vorteile für die Unternehmer erreichen möchte, so darf man nicht vergessen, daß dieses Ziel nur über den Einsatz der Mitarbeiter erreicht werden kann. Bevor man daher ein derartiges Gesetz beschließt, wird man sich auch einmal über die Situation der kleinen Verkäuferin klar werden müssen, die vielleicht alleinerziehende Mutter ist und künftig bis spät in die Abendstunden hinter dem Verkaufsregal stehen soll. Wo bleibt hier der Protest der SPÖ, die sich sonst so gerne rühmt, sich für die Frauen einzusetzen? (Bundesrätin Kainz: Kommt schon noch!)

Wir Freiheitlichen sagen: Solange es keine entsprechende Infrastruktur gibt – und das geht bis hin zur Frage, ob Mitarbeiter die Möglichkeit haben, nach Dienstschluß mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nach Hause zu kommen –, solange es für alleinerziehende Frauen keine Möglichkeiten der Kinderbetreuung im Rahmen flexiblerer Kindergartenöffnungszeiten gibt, kann man kein Gesetz beschließen, das derart massiv in die Lebensqualität der Mitarbeiter eingreift.

Es bleibt letztlich die nach wie vor offene Frage der Mitarbeiterentlohnung, die ebenfalls nicht geklärt ist. Wer erwartet, daß seine Mitarbeiter länger arbeiten, der muß auch einsehen, daß Mitarbeit in einem Unternehmen seinen guten Preis hat. Dafür werden wir Freiheitliche uns hier jedenfalls weiter einsetzen. Da das vorliegende Öffnungszeitengesetz unseren Qualitätskriterien in keiner Weise entspricht, wird die freiheitliche Fraktion diesen Gesetzesbeschluß ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.13

Präsident Josef Pfeifer: Als nächster am Wort ist Herr Dr. Kurt Kaufmann. – Bitte.


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