Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 35

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Berichterstatter Wolfgang Hager: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Sozialausschusses über den Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1995 liegt schriftlich vor. Ich verzichte daher auf eine Verlesung.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Jänner 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Sie alle haben den Bericht schriftlich vorliegen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Moser. – Bitte.

15.06

Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Damen und Herren! Der heute zu diskutierende Sozialbericht über das Berichtsjahr 1995 hat den Nachteil aller Berichte: Er beinhaltet nur jene Fakten, mit denen wir zurzeit gar nicht oder nicht mehr konfrontiert werden.

Dies zeigt sich für mich auch im Geleitwort, das Sie, Herr Minister, diesem Bericht vorangestellt haben – ich zitiere –: Der Berichtszeitraum war geprägt von den beiden Strukturanpassungsgesetzen 1995 und 1996, welche in Feinabstimmung zwischen Steuer- und Sozialpolitik unter Wahrung des politischen Schwerpunktes der sozialen Ausgewogenheit wesentliche Schritte zur Budgetkonsolidierung zum Ziel hatten.

Einen Beitrag zur Budgetkonsolidierung hat die Regierung erreicht, den politischen Schwerpunkt der sozialen Ausgewogenheit aber leider nicht. Diese Aussage treffe ich jetzt nicht als Vertreterin der Opposition, sondern als besorgte Sozialpolitikerin. Es geschieht in letzter Zeit immer öfter, daß ich sehr wohl auch mit Regierungsmitgliedern Ihrer Partei oder Ihnen nahestehenden Interessenverbänden einer Meinung bin, sei es mit Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Hochmair in Oberösterreich, sei es auch, wie dies gestern der Fall war, mit Frau Schmidleithner vom ÖGB, die sehr kritisch anmerken, daß die soziale Ausgewogenheit nicht mehr gegeben ist.

Ebenfalls wurde gestern berichtet, daß Herr Politikwissenschafter Professor Tálos schätzt, daß 700 000 bis 1,5 Millionen Menschen von Armut bedroht sind. Angesichts dieser Zahlen muß ich sagen: Da kann etwas in diesem System nicht stimmen. Und es sind wieder vor allem die Frauen, heute genauso wie auch in der Vergangenheit, die durch Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen, mehr Kinder, Scheidung vom Partner oder Tod des Partners enorme Probleme zu bewältigen haben beziehungsweise teilweise nicht mehr bewältigen können.

Herr Minister! Ich frage Sie: Wo bleibt die soziale Ausgewogenheit beispielsweise bei der Dauer des Karenzurlaubes? – 18 Monate Karenzurlaub gibt es für eine Alleinerzieherin, 24 Monate dann, wenn der Mann sechs Monate Karenzzeit übernimmt. Steht für Sie die Teilfamilie nicht gleichwertig neben der Vollfamilie? Hat das Kind einer Alleinerzieherin nicht auch ein Recht darauf, länger in der häuslichen Betreuung aufwachsen zu können? In meinen Augen ist dies nicht nur eine Diskriminierung der alleinerziehenden Mutter, sondern auch des betroffenen Kindes.

Soziale Ausgewogenheit ist auch im Bereich der Löhne und Gehälter nicht gegeben. Von den 240 000 Personen, die 1995 weniger als 12 000 S brutto verdienten, sind 80 000 Männer und 160 000, also doppelt soviel, Frauen, wobei bei den Männern eher eine Konzentration bei den Jüngeren erkennbar ist, bei den Frauen aber leider alle Altersgruppen verstärkt betroffen sind.

Die Studie zeigt auch deutlich, daß bei gleicher Qualifikation die Frauen noch immer weniger verdienen. Es wird daraus auch ersichtlich, daß trotz gleicher Ausbildung in den obersten Einkommensgruppen viel weniger Frauen aufscheinen. Vergleicht man dies mit der Zahl der Hochschulabsolventinnen, wird man feststellen, daß in unserem System etwas nicht stimmen kann.


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