Bundesrat Stenographisches Protokoll 621. Sitzung / Seite 98

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

denn Sie kennen sie offensichtlich viel besser als ich. Eigentlich hätten ja Sie sie fragen können, dann hätten wir das vielleicht ausräumen können. (Zwischenruf des Bundesrates Weiss. )

Da es Sie so interessiert, warum wir uns letztendlich dafür entschieden haben, Dr. Graff vorzuschlagen, werde ich es Ihnen sagen. Ich schicke zunächst noch einmal voraus: Ich habe Dr. Graff vorher ebensowenig wie alle anderen Bewerber persönlich gekannt. Ich kenne keinen von ihnen.

Wir haben uns auch von Ihrem Argument, Herr Kollege Weiss, daß, wenn ein Praktiker aus dem Verfassungsgerichtshof ausscheidet, nach Möglichkeit wieder ein Praktiker nachfolgen soll, überzeugen lassen, weil wir der Argumentation, daß dort nicht nur Universitätsprofessoren und Richter sitzen sollen, sondern auch Menschen, die in der Praxis mit den Problemen zu tun haben, durchaus etwas abgewinnen können, wobei ich noch einmal hinzufüge: Die drei von mir genannten Professoren sind höchst qualifiziert.

Das weitere Argument für unsere Entscheidung war, daß meine Kollegen und ich, die an dem Hearing teilgenommen haben, in verschiedenen Gesprächen mit Kollegen aus beiden Fraktionen der Regierungsparteien festgestellt haben, daß Kollege Graff bei beiden Fraktionen einen sehr guten Eindruck hinterlassen hat. Ich erspare Ihnen jetzt die Peinlichkeit, die Namen derjenigen aus Ihrer Fraktion zu nennen, die mir gesagt haben, daß Graff mit Abstand der Beste gewesen sei. Ich könnte das jetzt sagen, aber ich verzichte darauf. Sie werden es wahrscheinlich selbst wissen.

Aus den genannten Gründen waren wir der Meinung, daß Dr. Graff von den fünf von mir Genannten offensichtlich die größten Chancen auf eine mehrheitliche Unterstützung hat. Und Sie müssen uns zugestehen, daß auch wir unsere Entscheidungsgrundlagen festlegen, so wie Sie das ja auch gehandhabt haben.

Ich glaube, daß es nicht im Sinne des Hauses und der Bewerber wäre, wenn nur ein Bewerber und kein weiterer dazu vorgeschlagen werden könnte. Die Tatsache, daß wir einen anderen Bewerber als Sie vorschlagen, bedeutet ja bei Gott nicht, daß Ihre Bewerberin nicht qualifiziert ist. Sie selbst haben ja gesagt, daß es eine ganze Bandbreite von gleich gut Qualifizierten gegeben hat. Tun Sie also nicht so, als würden wir Frau Dr. Berchtold-Ostermann dadurch abwerten. Das ist beschämend, und eine solche Argumentation ist Ihrer auch nicht würdig, Herr Kollege Weiss, das möchte ich schon einmal sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist ganz reizend, daß Sie das Argument schon vorgegeben haben, indem Sie gesagt haben, ich sei in die Medien gegangen. – Ich bin überhaupt nicht in die Medien gegangen! Sie sind jedoch mit Ihrem Kandidaten in die Medien gegangen, schon lange bevor von einem Hearing überhaupt die Rede war. Dann haben Sie Frau Dr. Berchtold-Ostermann den Medien gegenüber vorgeschlagen. Ich habe das nicht gewußt, ich konnte den Medien gar nichts sagen, denn ich habe keine Ahnung gehabt, wie der ÖVP-Klub entscheidet: Ich war gestern gar nicht in Österreich, und ich hatte keine Gelegenheit, mit irgendeinem Journalisten darüber zu reden. Kollege Penz weiß das, weil er mit mir in Paris war. (Rufe bei der ÖVP: Aha! – Allgemeine Heiterkeit.) Ich bin also unverdächtig, ich habe einen Zeugen. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Penz. ) Oder Ihnen, Herr Kollege, man kann nicht wissen, wem das mehr schadet!

Ich habe den Medien gegenüber jedenfalls keinen einzigen Kandidaten genannt. Heute vormittag bekomme ich einen Anruf von der APA. So erfuhr ich, daß die ÖVP Frau Dr. Berchtold-Ostermann vorschlägt. Ich wurde gefragt: Unterstützen Sie diesen Vorschlag? Darauf habe der APA gegenüber genau das gesagt, was ich hier gesagt habe: Ich habe mit keinem Wort gesagt, daß Frau Dr. Berchtold-Ostermann nicht qualifiziert sei, sondern ich habe genauso argumentiert wie hier, auch betreffend unseren Vorschlag des Herrn Kollegen Graff.

Wenn Sie schon so sensibel sind, Herr Kollege Weiss, was das In-die-Medien-Gehen betrifft, dann zitiere ich jetzt aus der "Kronen Zeitung" von morgen, Freitag, 17. Dezember. Da steht auf Seite zwei unter der Überschrift "Höchstrichterin" – passen Sie jetzt gut auf –: "Der Bundesrat entschied auf Vorschlag der ÖVP, eine Frau, die Rechtsanwältin Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, zur neuen Verfassungsrichterin zu küren." – Herr Kollege! In Anbetracht dessen


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite