Bundesrat Stenographisches Protokoll 622. Sitzung / Seite 27

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Meine Damen und Herren! Wir wissen das, aber unter uns Pfarrerskindern sei das ausgesprochen. All diese Stimmgewaltigen kommen mir bisweilen vor wie Leute, die große Aktienpakete haben und hier halt ihre Coupons vorlegen, wobei unser heutiges Geburtstagskind damit viel mehr Erfahrung hat als ich als schlichter Gewerkschafter. (Heiterkeit.) Aber ich weiß jedenfalls aus der Sozialpartnerschaft heraus, was mit den Coupons beiläufig verbunden ist. Außerdem bin ich der Sohn eines Kommerzialrates. (Lebhafte Heiterkeit.)

Hier, darf ich Ihnen ehrlich sagen, ist die Geschichte mit dem Konsultationsmechanismus nicht problemlos, und ich bitte Sie, Herr Bundeskanzler – es kommt ja in die Behandlung –, daß wir auch als Bundesrat in einer bestimmten Weise dabei mitwirken können. Denn wenn man von uns im nachhinein Wohlverhalten verlangt, dann soll man uns im vorhinein das Mitwirken ermöglichen. Und ich glaube, da können wir doch alle einer Meinung sein (Beifall bei der ÖVP.) Oder verschweigen wir uns jetzt aus parteidisziplinären Gründen? – Wer das tun muß, dem drücke ich mein aufrichtiges Bedauern aus, weil ich konnte das eigentlich in den letzten 28 Jahren immer tun und war auch nicht auf das Wohlwollen bestimmter Leute angewiesen. – Ich hoffe, Sie auch nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hinzu kommt – und das ist ein ganz großes Problem, und das wollen wir heute nicht übersehen –, daß der Bundeskanzler der Vorsitzende des Kollegialorgans Bundesregierung ist, wobei man sich keiner Illusion hingeben soll: Der deutsche Bundeskanzler – und es reizt ja geradezu dazu – hat nach dem deutschen Reichskanzlersystem seit Bismarck bis zur Gegenwart – Weimarer Republik, Bonner Grundgesetz1949 – die Richtlinienkompetenz. Der deutsche Bundeskanzler kann jedem Bundesminister in seiner Ressortführung schriftlich oder mündlich dreinreden, und die deutschen Bundeskanzler, ganz gleich, wer sie stellt, haben immer davon Gebrauch gemacht. Und weil wir jetzt Fasching haben, könnte ich Ihnen einige Köstlichkeiten dazu erzählen, tue es aber nicht. Ich freue mich, das in Anwesenheit einer hier anwesenden Spitzenvertreterin der deutschen Diplomatie tun zu können, die sich sicherlich zu diesem Thema auch das Ihre erdenken wird, was sie aber hier nicht sagen kann, weil sie nicht Mitglied der Länderkammer Österreichs ist. (Heiterkeit.)

Ich sage Ihnen, der österreichische Bundeskanzler hat keine Richtlinienkompetenz – überfordern Sie ihn nicht! –, er hat Koordinationskompetenz, und zwar schon deshalb, weil er die Regierungserklärung abgibt und daher eine Verpflichtung hat, daß diese Erklärung ausgeführt wird und wie sein Kabinett dementsprechend vorgeht.

Ich gratuliere Ihnen, Herr Bundeskanzler, daß es Ihnen in verhältnismäßig kurzer Zeit möglich war, die Regierungserklärung zustande zu bringen. Als ich noch in meinen akademischen und politischen Elevenzeiten war, so mit 25, 26, bin ich in meiner politischen Reichshälfte mit Taus und Kohlmaier immer einer gewesen, der bei den Vorbereitungen zu Regierungserklärungen zugearbeitet hat. Ich weiß beiläufig, wie man das macht, und ich habe das immer mit Aufmerksamkeit bei anderen verfolgt. Wenn ich einmal mehr Zeit habe, werde ich auch Regierungserklärungen herausgeben und kommentieren. (Heiterkeit.) Und als ich unlängst zu meiner Überraschung am Samstag in der Früh erfahren habe, daß es zu einem Kabinettswechsel gekommen ist, habe ich mir gedacht: Nicht schlecht, so etwas in so kurzer Zeit zusammenzubringen! Da ist einiges gelungen.

Und weil Frau Dr. Riess-Passer gemeint hat, wer da mitgearbeitet hat: Wir können uns nur freuen, wenn es gute Mitarbeiter gibt, denn je mehr heranarbeiten, desto mehr kann die Spitze politisch denken, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie sind ja insoferne ein Quereinsteiger. Sie sind ja, so wie Ihr Vorgänger, nicht im Parlament "auf die Welt gekommen". Das hat seine Vorteile und seine Nachteile. Bei Engelbert Dolfuß war das auch nicht der Fall, bei Josef Klaus war das ebenfalls nicht der Fall, und viele andere haben auch ihr eigenes Schicksal. Und das ist doch das Schöne, daß die demokratische Republik durchlässig ist, daß es verschiedene Wege gibt! Wir alle müssen gemeinsam für das Volk dasein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind hier nicht zum Selbstzweck, es ist das hier keine Zufallsbegegnung oder ein nettes Rendezvous am Donnerstag vormittag.


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