Bundesrat Stenographisches Protokoll 622. Sitzung / Seite 54

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Ich möchte in diesem Zusammenhang noch etwas erwähnen, nämlich die gerade vor einiger Zeit hier beschlossene Frage der Ladenöffnungszeiten. Es wurde behauptet, daß damit zum Ausweichen in den Dienstleistungsbereich beigetragen würde. In den letzten Jahren war es auch noch sehr lange so. Jetzt bietet sich allerdings ein anderes Bild, denn es gibt im Bereich des Handels um 1 400 Vollzeitarbeitsplätze weniger, und die Aussage, die behauptet wird, nämlich daß zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, muß man sich einmal etwas genauer ansehen.

Dabei handelt es sich um Arbeitsplätze, die Teilzeitarbeit an einem Samstag – aber nicht an jedem Samstag – oder täglich zwei Stunden am Abend bedeuten. Das kann nicht unter Existenzsicherung verstanden werden!

Das trifft wiederum ganz massiv die Frauen – wieder rückverweisend auf ihre an und für sich schon sehr viel schlechtere Situation im Arbeitsleben. Ich bin dem Herrn Bundeskanzler auch sehr dankbar, daß er ausgesprochen hat, daß diese schlechte Situation der Frauen in der Arbeitswelt natürlich auch ihre Begründung in der gesellschaftlichen Situation der Frauen findet.

So ist die Tatsache zu nennen, daß Kinderbetreuungseinrichtungen nicht ausreichend vorhanden sind und vor allem nicht den notwendigen Bedürfnissen entsprechen. Wenn Sie mich jetzt auch steinigen und aufheulen, so muß ich aber doch auch das sogenannte Problem "halbe/halbe" erwähnen. Die Frage der Aufteilung der Familienpflichten ist eine Grundlage dafür, daß Frauen in der Arbeitswelt als schlechtere Arbeitskräfte gesehen werden.

Wie gesagt, das Hoffnungssegment Dienstleistungsbereich fällt, wie sich in der letzten Zeit beweist, im wesentlichen aus, und es wird alles daranzusetzen sein, daß der Beschäftigungspolitik in Österreich Vorrang eingeräumt wird. Es gibt Unternehmen – der kurzfristigen Not gehorchend, vielleicht nicht ausreichend durchdacht –, die bis jetzt in österreichischem Besitz waren. Da würden mich weniger die Besitzverhältnisse stören als vielmehr die damit verbundene Tatsache, daß mit den Besitzverhältnissen auch die Strategien von anderswo entschieden werden.

Meine Damen und Herren! Ich schildere Ihnen gerne jedes Detail meiner täglichen Arbeit, und ich behaupte, daß ich in 35 Jahren Funktionstätigkeit in der verstaatlichten Industrie nicht so viele Managementfehler erlebt hatte, wie ich sie in den letzten Jahren im Besitz eines ausländischen Unternehmens erleben mußte.

Ein weiterer Bereich, der auch im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigungspolitik zu sehen ist, ist die Frage der Lehrlingsausbildung. Wir haben heuer um 61 Prozent mehr Schulabgänger als im Jahr zuvor, die keinen Lehrplatz finden werden. Das ist eine dramatische Verschärfung der Situation, und gerade dann, wenn man jungen Menschen keine Perspektiven bieten kann, ist das besonders tragisch.

Es ist auch tragisch, wenn man einem älteren Menschen seine Lebenszielsetzungen wegnehmen muß, indem man ihm noch notdürftig Gelegenheit gibt, im sozialen Netz aufgefangen zu werden. Aber absolut schlimm ist es, wenn junge Menschen keine Perspektiven finden, und ganz besonders schlimm finde ich das auch für junge Mädchen, denn sie erregen im allgemeinen weniger Aufsehen als Burschen. Sie verschwinden leichter als Burschen im häuslichen Bereich, sie werden in der Gesellschaft weniger auffällig und erfahren dadurch auch weniger Beachtung in bezug auf diese Frage.

Ich gebe gerne zu, daß auch die traditionellen Verhaltensweisen noch immer mit ein Hindernis sind, daß Mädchen bereits bei ihrem Berufseinstieg, nämlich bei der Entscheidung, in welchem Beruf sie sich weiterentwickeln wollen, zu ihrem eigenen Schaden entscheiden. Andererseits sind wir eben jetzt in der Situation, kurzfristige und langfristige Maßnahmen setzen und verschieden einsetzen zu können. Ich bekenne mich dazu, daß jetzt auch in dieser kurzfristig zu bewältigenden Situation Mädchen in Berufen ausgebildet werden, von denen wir langfristig wissen, daß sie dem, was wir von einer Frauenberufstätigkeit erwarten, nicht entsprechen.

Es ist vom Herr Bundeskanzler auch die Frage der Flexibilisierung der Arbeitszeit angesprochen worden. Ich behaupte, daß die Gewerkschafter überwiegend strategisch denken, auch wenn wir


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