Bundesrat Stenographisches Protokoll 623. Sitzung / Seite 76

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Also dieses Recht des "Schütze läuft" ist dem Parlament vollinhaltlich gegeben. Wir haben unseren Wählern auf Landtags- und Bundesebene zu erklären, daß wir eine Umschichtung von Budgetmitteln vielleicht aus sehr guten Gründen vornehmen. Aber daß der Nicht-Schütze laufen muß, daß also wir die Länder oder die Länder die Bundesebene durch Gesetzesbeschlüsse belasten, das kann sicherlich nicht im Sinne eines solchen, unter strengen Kostengesichtspunkten stehenden Zusammenarbeitens ermöglicht werden oder als sinnvoll erscheinen.

Ich sehe darin nun wahrlich keine Einschränkung irgendeines der demokratischen Rechte, auch wenn es sicherlich richtig ist, daß wir die Praxis, die da dazugehört, allesamt erst erlernen müssen. Ich behaupte nicht, daß in dieser Vereinbarung nichts enthalten sein kann, was sich nicht irgendwo auch einmal als Hemmschuh herausstellt.

Das macht diese relativ begrenzte Regelung sinnvoll. Sie soll auch weiterentwickelt werden können, so wie wir in vielen anderen Fällen unsere Verfassungsrealität, unseren Verfassungstext, aber auch die politische Wirklichkeit in unserem Land genauso weiterentwickelt haben.

Kollege Tremmel – ich habe mich darüber sehr aufgeregt, ich gebe das zu – hat von einem Ermächtigungsgesetz gesprochen. Wissen Sie, es gibt bestimmte Vokabel, die einen ganz konkreten historischen Bedeutungsinhalt haben. (Bundesrat DDr. Königshofer: Das ist Ihnen unbenommen! – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Herr Kollege, was mir unbenommen ist, ist meine Entscheidung, ich brauche Ihre Erlaubnis nicht. Sie halten zum Thema Ermächtigungsgesetz am besten den Mund, sonst fällt mir noch etwas ein. Sie glauben ja alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist, ich weiß schon. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht dogmatisch vorgeschrieben, sondern die historische Wahrheit ist, daß es sich dabei um jenes Gesetz handelt, mit dem die nationalsozialistische deutsche Parlamentsfraktion mit einigen Anhängseln den Reichstag nach Hause geschickt hat. Dieser Vergleich, Herr Kollege Tremmel, ist eine Frechheit, eine Anmaßung und eine Beleidigung jedes Demokraten in diesem Haus! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Tremmel: Es war das Kriegswirtschaftsermächtigungsgesetz 1914 gedacht! Unterstellen Sie mir nicht etwas!)

Herr Kollege! Wenn Sie ausnahmsweise einmal zugehört hätten, dann hätten Sie bemerkt, daß ich von Deutschland gesprochen habe. (Bundesrat Dr. Bösch: Aber wir nicht!) Das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz war ein österreichisches Gesetz. Kein Mensch verwechselt das außer Ihnen. (Bundesrat Dr. Bösch: Sie verirren sich, Herr Kollege!) Ich verirre mich überhaupt nicht.

Herr Kollege! Sie haben sich eine Geschmacklosigkeit geleistet, die kaum zu überbieten ist. Wer dieser Vorlage, wenn sie dann in dieses Haus kommt, zustimmt, stimmt keinem Gesetz oder keiner Regelung zu, mit der die Demokratie in diesem Land angetastet wird. Wer einer solchen Regelung nach gründlicher Beratung und vielleicht auch mit der einen oder anderen Änderung zu guter Letzt zustimmt, versucht, einen Beitrag dazu zu leisten, daß wir einheitlich als wirtschaftliche Einheit Österreich, als fiskalische Einheit Österreich Disziplin halten, daß wir ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander entwickeln, aber sicherlich nicht dazu, irgend etwas, was die Demokratie in unserem Land ausmacht, einzuschränken.

Wir haben – darüber ist sicherlich zu sprechen – die Frage zu stellen, welche Funktionen wir dann haben, wenn wie in diesem Fall der Bundesrat nicht letztlich von den Ländern aufgefordert oder eingeladen wurde, ihre Interessenvertretung zu übernehmen. Ich habe – darüber hat es viele Debatten gegeben – die föderalistische Rolle des Bundesrates nie so eng gesehen, daß wir ausschließlich eine Interessenvertretung und vielleicht sogar ein Auftragsnehmer hinsichtlich politischer Vorstellungen in je einem oder auch in mehreren Bundesländern sind.

Föderalismus hat schon viele verschiedene Ebenen, und – wie auch Kollege Weiss in einer Reihe von Beispielen angeführt hat – von diesen vielen Ebenen sind auch noch viele frei für uns, denn es geht ja nicht darum, zu sagen: Wir sind die einzigen, die legitime Interessen außer halt der bundes- oder zentralstaatlichen Ebene in diesem Land vertreten. – Ich habe auch immer ein Problem damit, wenn Sie davon sprechen, daß dieses Parlament nur etwas unterschreibt. Ein politischer Prozeß ist doch so etwas wie eine Konsensfindung. Ich stehe vorbehaltlos dazu, in


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