Bundesrat Stenographisches Protokoll 623. Sitzung / Seite 79

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nicht einmal mehr dem Nationalrat zustehen, kommen dann in der gegenwärtigen Konstellation umso weniger dem Bundesrat zu. Mit anderen Worten: Es würde in Zukunft die Vollziehung des Landes, selbst wenn sie auf Bundesgesetzen beruht, nur noch vom Landtag kontrolliert.

Zum Ausgleich dafür spricht Artikel 102 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung der Regierungsvorlage der Bundesregierung und den jeweils befaßten Bundesministern die Befugnis zu, durch Bundesorgane in die Akten der Landesbehörden Einsicht zu nehmen, die Übermittlung von Berichten über die Praxis der Vollziehung zu verlangen, bei der Vorbereitung der Erlassung von Gesetzen und Verordnungen alle Auskünfte zu verlangen und in bestimmten Fällen Auskünfte und die Vorlage von Akten zu verlangen, soweit dies zur Ausübung anderer Befugnisse notwendig ist. Diese genannten Informationsrechte gegenüber den Behörden der Landesverwaltungen sollen die legislative Verantwortung des Bundes mit aufrechterhalten. Vornehm wird dabei allerdings übersehen, daß nicht die Bundesregierung, sondern der Nationalrat und der Bundesrat die Gesetzgebungsorgane des Bundes sind!

Der anerkannte Staatsrechtler Professor Öhlinger – er wird der Fraktion der SPÖ nicht ganz unbekannt sein – moniert daher zu Recht (Bundesrat Dr. Schambeck: Obwohl er einst mein Mitarbeiter war!) – ich schätze ihn sehr (Bundesrat Dr. Schambeck: Ich auch!) –, und ich zitiere wörtlich –: "(Es) sollte doch auch der eigentliche ,Gesetzgeber‘ über die Möglichkeit verfügen, sich über die Vollziehung ,seiner‘ Gesetze zu informieren." – Zitatende.

Der Nationalrat – und indirekt und danach der Bundesrat – ist damit auf jenen Informationsstand angewiesen, den sich zuvor die Bundesregierung verschafft hat. Zudem bleibt bis heute offen, ob das parlamentarische Interpellationsrecht die Amtsverschwiegenheit der Bundesregierung zu überwinden und die Akteneinsicht zu erzwingen vermag. Die Sache ist umstritten. Insofern würden die Kontrollrechte des Parlaments auf den Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung eingeschränkt. Der Vollzug von Bundesgesetzen durch das Land wäre also ausschließlich von der Bundesregierung und nicht mehr vom Bundesgesetzgeber kontrolliert.

Im Gegensatz dazu müßten die angesprochenen Informations- und Kontrollrechte der Legislative zugewiesen werden. Freilich müßten meines Erachtens auch die mit der Ausarbeitung von Regierungsvorlagen zu Materien im Bereich des Artikels 11 B-VG – die also von der Landesregierung zu vollziehen sind – betrauten legislativen Fachabteilungen von den Bundesministerien auf das Parlament übertragen werden.

Nach dem gegenwärtigen Stand verletzt also die nur mit Etikettenschwindel als "Bundesstaatsreform" verkaufte Regierungsvorlage eindeutig das verfassungsgesetzliche Grundprinzip der Gewaltenteilung und baut demgemäß den Föderalismus, soweit überhaupt, allein durch die Stärkung des Verwaltungsapparats auf Landesebene aus!

Was uns aber schon aus Gründen unserer Selbstachtung als Gesetzgebungsorgan in der Funktion einer Länderkammer primär interessieren müßte, ist die sogenannte Bundesratsreform. Aus unser aller Mitte sind denn auch seriöse und sachgerechte Vorschläge zu einer solchen erstattet worden, die jedoch in der entsprechenden Regierungsvorlage nicht den geringsten Niederschlag gefunden haben. (Bundesrat Dr. Tremmel: Ganz richtig!)

Dazu gehörten folgende Vorschläge – ich bin dabei nicht taxativ –: Dem Bundesrat sollte in Zukunft noch vor der Beschlußfassung im Nationalrat Gelegenheit zur Stellungnahme zu Gesetzesvorhaben geboten sein, egal, ob diese nun als Regierungsvorlagen oder als Initiativanträge des Nationalrates eingebracht worden sind. An Beratungen in Nationalratsausschüssen über eigene Anträge des Bundesrates oder über Einsprüche des Bundesrates gegen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates sollte ein Mitglied des Bundesrates mit beratender Stimme beteiligt sein. Die Vorberatung eines Gesetzesantrags des Bundesrates sollte innerhalb von sechs Monaten nach Zuweisung an den zuständigen Ausschuß beginnen müssen. – Ich könnte eine Reihe weiterer Vorschläge bringen.

Meine Fraktion ging aber in ihrem bundesstaatlichen Konzept noch erheblich weiter: Dem Bundesrat sollte nicht länger ein bloß suspensives Vetorecht zukommen, das durch einen Beharrungsbeschluß des Nationalrates ohne weiteres außer Kraft gesetzt werden kann; vielmehr


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