Bundesrat Stenographisches Protokoll 623. Sitzung / Seite 81

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hier die wenigen Juristen darf er als Rechtstheoretiker ja wohl auch ausführen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schambeck. – Bundesrat Dr. Tremmel: Aber immerhin hat sein Buch Präsident Neisser vorgestellt!) Ich mache gerne kostenlose Werbung dafür.

Ich zitiere weiter: "Der Hauptgrund dürfte darin liegen, daß er von denselben politischen Parteien wie der Nationalrat gesteuert wird. Und die Erfahrung zeigt, daß in Österreich zumindest im Gesetzgebungsverfahren die parteipolitischen Interessen gegenüber regionalen Interessen klar dominieren. Die praktische Funktion des Bundesrates besteht hauptsächlich darin, das Gesetzgebungsverfahren zu verlängern. ... Die wirklichen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern finden nicht im Bundesrat statt, sondern innerhalb der großen politischen Parteien und zwischen Bundesregierung und Landesregierungen beziehungsweise Landeshauptleuten, vor allem bei den Finanzausgleichsverhandlungen." – Zitatende.

Als symptomatisch bezeichnet es der Autor auch zu Recht, daß die Forderungsprogramme, mit denen die Bundesländer vom Bund mehr Kompetenzen verlangten, nicht vom Bundesrat, sondern von der in Wien angesiedelten Verbindungsstelle der österreichischen Bundesländer entworfen wurden, also erneut von einer in der Verfassung gar nicht vorgesehenen Organisation unter der Ägide der Verwaltung und nicht der föderal strukturierten Gesetzgebung.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nehmen wir daher endlich die uns zugewiesene Aufgabe im Dienste des Bundesstaates und damit auch uns selbst ernst und dringen wir endlich darauf, daß auch der Bund und nicht zuletzt die Bundesregierung und die sie tragende politische Mehrheit das Baugesetz des bundesstaatlichen Prinzips ehrlich verwirklichen, das heißt: den Bundesrat als echte und funktionsfähige Länderkammer ausgestalten.

Ich darf noch abschließend an Sie, sehr geehrter Herr Staatssekretär, in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers, der leider nicht mehr anwesend ist, die Frage richten: Halten Sie es für möglich, den Konsultationsmechanismus im Rahmen des Bundesrates einzurichten, und sehen Sie Möglichkeiten, durch eine Reform des Bundesrates und durch eine Aktivierung des Ständigen Finanzausschusses zwischen Nationalrat und Bundesrat denselben Effekt zu erreichen, wie ihn der Konsultationsmechanismus erzielen soll? – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

17.36

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ich habe schon in allen Gremien meiner Partei zum Konsultationsmechanismus sehr kritisch Stellung genommen und möchte mich deshalb auch hier, wenn darüber diskutiert wird, nicht verschweigen. Meiner Auffassung nach sollte die Vorlage dieses Bundesverfassungsgesetzes vor Abstimmung im Nationalrat einer gründlichen Kontrolle und Untersuchung durch die Verfassungsjuristen des Bundeskanzleramtes unterzogen werden.

Unsere Bundesverfassung wurde in Zeiten großer Not und in Zeiten einer lebhaften Erinnerung an Unruhen und Kriege in unserem Lande gemacht. Österreich ist mit dieser Verfassung zu einem Land mit hohem Wohlstand, großer Sicherheit und Ordnung herangereift. Ich möchte deshalb als Mitglied des österreichischen Parlamentes davor warnen, die Grundsätze dieser Verfassungsordnung zu ändern, wohl wissend, daß ich mir damit bei meinen Landesregierungsmitgliedern keine besonderen Freunde mache. Der Konsultationsmechanismus rüttelt in der vorliegenden Form der Regierungsvorlage an den grundlegenden Prinzipien unserer Verfassung, nämlich, wie bereits oft gesagt wurde, an der Trennung von Exekutive und Legislative. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Regierung beschließt praktisch mit Verfassungsabsicherung finanzielle Angelegenheiten, die das Parlament dann zu beschließen hat. Das bedeutet eine Einschränkung der parlamentarischen Entscheidungsfreiheit. Die Nationalräte werden praktisch gezwungen, so abzustimmen, wie es die Bundesregierung mit den Landesregierungen vereinbart hat. Gegen einen


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