Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 36

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Handelsakademie. Derzeit besteht nur die umgekehrte Möglichkeit, nämlich Einstieg ins duale System nach Abbruch der mittleren oder höheren Schule. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Das duale Ausbildungssystem muß auf Sicht gesehen so in das allgemeine Bildungssystem integriert werden, daß mit Beginn eines Lehrverhältnisses bis zum Abschluß eines Hochschulstudiums ein durchgehender Ausbildungsweg möglich ist. Wenn eine Berufsmatura existiert und die Anrechnung von der Lehrzeit auf die Schulzeit möglich ist – das ist derzeit ja nur in umgekehrter Reihenfolge der Fall: Anrechnung der Schulzeit auf die Lehre –, kann auch ein Anlernsystem für lernschwache Schüler geschaffen werden. Derartige Angebote müssen jedoch an objektive Kriterien gebunden sein, um eine zweite Low-quality-Lehre, die nur an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert ist, zum Beispiel Regalbetreuer, zu vermeiden.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß das Anliegen der Lehrlinge und der Berufsschulen ein gemeinsames von uns sein muß. Ich bitte, gemeinsam dafür Sorge zu tragen, daß die Rahmenbedingungen für eine weitere gute Ausbildung auf dieser Ebene gewährleistet werden. Wir nehmen diesen Bericht mit Zustimmung zur Kenntnis. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. Ich darf ihn bitten.

10.27

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Laut Statistik bekommen viele Schulabgänger, die einen Lehrplatz suchen, keine Lehrstelle. Mein Betrieb, eine Tischlerei, sucht seit einem halben Jahr einen Lehrling – und dies ist kein sehr unangenehmer Beruf. Wir haben diesen Bedarf auch der Arbeitsmarktverwaltung mitgeteilt, aber seit einem halben Jahr ist es uns nicht gelungen, einen Lehrling zu erhalten. – Soweit zur Theorie und Praxis am Arbeitsmarkt der Lehrlinge.

Aber auch im vorliegenden Bericht sind sich die Fachleute nicht ganz einig über die derzeitige Situation bei der Lehrlingsausbildung. Die einen sprechen davon, daß die sinkende Bereitschaft der Betriebe zur Lehrlingsausbildung zu einem Gesamtrückgang der Lehrlingszahlen führt. Das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft interpretiert das vorliegende Zahlenmaterial des Österreichischen Statistischen Zentralamtes wiederum so, daß die Hauptursache für die rückläufigen Lehrlingszahlen vorwiegend in der demographischen Entwicklung gesehen wird.

Die Zahl der Lehranfänger im Zeitraum von 1984 bis 1994 ist zwar von 54 000 auf 40 000 gesunken, aber gemessen an den entsprechenden Geburtsjahrgängen hat sich der Lehrlingsanteil sogar von 44 auf 46 Prozent verbessert. – Also mit Statistik läßt sich beliebig jonglieren.

Unbestritten ist aber, daß sich die Zahl der Ausbildungsplätze für Lehrlinge in den Betrieben enorm verringert hat. Auch die Anzahl der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, ist sehr stark zurückgegangen. Die Ursache für den Rückgang an Lehrplätzen liegt einerseits in der ungeheuer dynamischen Veränderung innerhalb der Wirtschaft, andererseits aber auch in einer teilweise unzumutbaren Überregulierung, einer mangelnden Qualifikation der Lehrplatzsuchenden und darin, daß sich Lehrlinge für viele Betriebe einfach nicht mehr rechnen. Betriebe und Wirtschaft, das ist keine Sozialeinrichtung, sondern Betriebe und Wirtschaft können nur existieren und leben, wenn sie Gewinne erzielen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin aber davon überzeugt: Wenn unsere Wirtschaft wieder etwas mehr Schwung erhält, die Betriebe wiederum Gewinne erzielen, dann werden auch wieder genügend Lehrplätze für unsere jungen Leute zur Verfügung stehen.

Die modernsten Labors und Werkstätten der Berufsschulen sind übrigens, wie aus Ihrem Bericht, Frau Ministerin, hervorgeht, ein leuchtendes Beispiel für funktionierenden Föderalismus. Die Länder in Verbindung mit den Kammern haben gezeigt, daß sie durchaus in der Lage sind,


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite