Bundesrat Stenographisches Protokoll 624. Sitzung / Seite 82

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Wenn Sie in Österreich die Flexibilisierung auf eine derartige Art und Weise durchziehen, dann seien Sie doch wenigstens so fair und lassen Sie die Menschen, die mehr arbeiten müssen, auch das gleiche oder mehr verdienen, wie Kollege Bösch gesagt hat! Seien Sie doch so fair und senken Sie die Lohnsteuer etwas, denn durch die Progression hat der Finanzminister jetzt um viele Milliarden höhere Einnahmen als noch vor einigen Jahren! Aber diese nimmt er vom kleinen Mann! Beim Bezügegesetz waren Sie nicht so heikel: Herrn Bundeskanzler Klima gestehen Sie 800 000 S Gehalt mehr im Jahr zu. (Bundesrat Meier: Kommen Sie doch nicht mit diesem Beispiel! Das ist lächerlich! Erstens nimmt er es gar nicht, zweitens wollte er nicht mehr, und drittens ist es ein schlechtes Beispiel!)

Aber das sieht die Bevölkerung, Herr Bundesrat! Und das werden wir den Menschen auch bei den nächsten Wahlen wieder sagen! (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Die Menschen werden immer mehr enttäuscht sein, gerade von den Sozialdemokraten. Sie haben vor der Situation kapituliert. Sie sind heute Steigbügelhalter des Kapitalismus, und das erkennen die Arbeiter immer mehr! Schauen Sie sich das an! Sie sind als Arbeitnehmerpartei abgetreten, und wir übernehmen gerne Ihr Erbe. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Das kann ich nur lächelnd zurückweisen! Es freut mich, daß Sie mich als Steigbügelhalter des Kapitalismus ansehen! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

14.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.

14.15

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Es trifft im allgemeinen sicherlich nicht zu, aber bei der vorangegangenen Wortmeldung war es vorteilhaft, zumindest akustisch nicht alles verstanden zu haben.

Ich möchte ganz kurz begründen, warum ich gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen dafür bin, daß § 12 a des Arbeitsruhegesetzes vom Nationalrat noch einmal überdacht werden sollte, und ich füge hinzu: Diese Bedenken beziehen sich ausschließlich auf diese Bestimmung, nicht auf die anderen Teile des vorliegenden Gesetzesbeschlusses.

Ich möchte außer Streit stellen, daß hinsichtlich der Regelung betreffend die Sonntagsarbeit Verbesserungen der bisherigen Rechtslage notwendig sind, gar keine Frage. Es liegt mir auch völlig fern, mit fromm niedergeschlagenem Blick die Augen vor der Realität zu verschließen. In vielen Fällen ist eben die Güterabwägung nötig, was wichtiger ist: die ganze Woche nicht arbeiten zu können oder zumindest auch fallweise am Sonntag zu arbeiten.

Ich halte es außerdem für wichtig, daß in einem befriedigenderen Maße als bisher notwendige Regelungen nicht zu Lasten der Betroffenen gehen und nicht über die Köpfe der Sozialpartner hinweg getroffen werden.

Ich anerkenne auch das Bemühen aller, die an diesen Beschlüssen mitgewirkt haben, die Sonntagsarbeit dem Grunde nach nicht zu befürworten und in deutlicher Abkehr von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Auffassung des Europäischen Parlaments zu teilen, daß der Sonntag kein Ruhetag wie jeder andere ist, sondern eine hervorgehobene Bedeutung hat.

Ich respektiere diesen guten Willen aller Beteiligten. Ich glaube lediglich, daß die Form, in der er vom Nationalrat zum Ausdruck gebracht wurde, nicht ganz befriedigend ist und wir Gefahr laufen, von einem Extrem ins andere zu fallen. Mit einem vom Gesetzgeber sehr weit gesteckten Rahmen werden künftige Entscheidungen an die Sozialpartner übertragen. Es wurde zwar richtigerweise gesagt, daß mit diesem Gesetz der Sonntag natürlich nicht zum Werktag wird, sondern Sonntag bleibt, aber er könnte es ohne weiteres Dazutun des Gesetzgebers und politisch verantwortlicher Instanzen werden. Und das ist der Punkt, an dem ich mit meiner Kritik ansetze. Ich denke, daß sich der Gesetzgeber der Verantwortung für wichtige gesellschaftspolitische Weichenstellungen und für die Schaffung von Rahmenbedingungen nicht entziehen sollte, da er diese nicht delegieren kann.


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