Bundesrat Stenographisches Protokoll 625. Sitzung / Seite 44

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damit auch größer. Das wirkt genau in die den Konvergenzkriterien entgegengesetzte Richtung. Somit werden diese Länder nie mehr in die Lage kommen, diese Kriterien zu erfüllen.

Die große Währungsunion stellt für uns aber ein wesentlich gefährlicheres Problem dar. Wenn die südeuropäischen Staaten wie Italien, Spanien und Portugal – Griechenland wird wahrscheinlich nicht in Frage kommen – ebenfalls teilnehmen, ist zu befürchten, daß durch die Einbeziehung dieser volkswirtschaftlich schwachen Länder eine Weichwährung – mit schlimmeren Folgen vor allem für diese schwachen Volkswirtschaften – entsteht.

Italien etwa war bis jetzt immer in der Lage, die Währung zurückzunehmen, wenn es die mangelnde Konkurrenzfähigkeit erforderlich machte, und konnte so seine Produkte wieder verkaufen. Diese Vorgangsweise wird in der Währungsunion nicht mehr möglich sein. Nun stellen Sie sich vor, durch die Inflation steigen die Preise, natürlich auch im Automobilbereich: Ein Fiat würde gleich viel kosten oder sogar teurer sein als ein Audi oder VW, ein Lancia teurer als ein Mercedes. Ich frage mich, wie die Italiener dann ihre Produkte verkaufen wollen. Das gleiche gilt für Spanien und Portugal. Dann müßten entweder hohe Transferzahlungen von Norden nach Süden fließen, oder die europäische Währung müßte abgewertet werden. Eine solche Abwertung träfe natürlich auch uns, da wir dadurch gegenüber dem Weltmarkt, den USA und Japan, alle Nachteile einer weichen Währung verspüren würden.

Das dritte Szenario, eine Verschiebung, wird bedeuten, daß die Währungsunion langfristig überhaupt nicht zustande kommen wird. Das würde einer Absage gleichkommen. Die Euphoriker in Europa, vor allem die Franzosen, die sich damit in die harte D-Mark einkaufen wollen, aber auch Österreich – besonders die führenden Stellen in der Bundesregierung, aber auch viele Sozialpartnerkreise – drängen nach wie vor in die Währungsunion.

Es gibt dabei aber – und damit komme ich auf die Bemerkung des Kollegen Drochter zurück, daß auch Jörg Haider für eine Währungsunion mit diesen Kriterien sei – ein gravierendes Problem. Kollege Drochter! Dieses Problem besteht darin, daß kein Staat in Europa, außer Luxemburg, diese Kriterien einhalten kann. Lassen wir den Luxemburgern die Freude, und geben wir ihnen den Euro. Dann hat Luxemburg wenigstens eine eigene Währung und muß sich nicht mehr auf den belgischen Franc verlassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kein Land außer Luxemburg erfüllt derzeit alle Kriterien – ich habe die entsprechende Statistik hier. Unter diesen Umständen können wir zu einer Währungsunion nicht ja sagen. (Zwischenruf des Bundesrates Drochter. ) Auch andere Experten in ganz Europa warnen davor, unter solchen Bedingungen in eine Währungsunion zu gehen. Kurz: Die Kriterien – 3 Prozent Neuverschuldung, 60 Prozent Gesamtverschuldung, 1,5 Prozent Inflation über den wertstabilsten Ländern und ein langfristiges Zinsenkriterium – werden von den meisten nicht erreicht.

Ich erinnere Sie an die Diskussion vor der EU-Abstimmung. In diesem Haus, in diesem Saal habe ich damals in einer Rede die Befürchtung geäußert, daß diese Kriterien einmal aufgeweicht werden könnten. Darauf sind viele Zwischenrufe gekommen, man kann sie im Protokoll nachlesen. "Woher haben Sie die Szenarien, Herr Kollege?" hat Kollege Bösch aus Vorarlberg – der Vorgänger unseres jetzigen Kollegen Bösch, nach den Landtagswahlen hat sich eine Änderung ergeben – herausgerufen. Woher ich diese Szenarien hatte? – Meine Damen und Herren! Diese waren damals schon nachzulesen! Nun werden sie Wirklichkeit. Es gibt heute bereits die Forderung, die Kriterien aufzuweichen. Wichtig wäre nur eine tendenzielle Annäherung, und der Zeitplan sei wichtiger als die Kriterien.

Ganz klar äußert sich allerdings der deutsche Finanzminister Waigel, der beides für wichtig hält: die Kriterien und den Zeitplan. Ich vermute nur, daß Waigel im nächsten Jahr zugeben muß, daß Deutschland diese Kriterien nicht erfüllt. Es gibt einige wenige Kühne, die sagen, dann müsse der Euro auch ohne Deutschland eingeführt werden. (Bundesrat Meier: Das sagt niemand!) Es gibt sogar in der österreichischen Regierung einige Kühne, die das behaupten. Ich habe gehört, auch unser Herr Finanzminister wäre dieser Auffassung, ohne zu bedenken, daß wir selbst diese Kriterien noch viel weniger erreichen werden.


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