Bundesrat Stenographisches Protokoll 625. Sitzung / Seite 53

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Oder, wie jemand anderer sagt: durch Ausgleichszahlungen. Die Ausgleichszahlungen haben Österreich und die Bundesrepublik Deutschland schon ganz schön im Rucksack, und diese Ausgleichszahlungen gereichen der österreichischen Bevölkerung zum Nachteil, weil wir sie ja nicht bekommen.

Oder: durch Wanderung von Arbeitskräften. – Freilich, in den Vereinigten Staaten wechselt man alle fünf Jahre den Wohnsitz und den Arbeitsplatz. Das soll uns aber nicht als Vorbild dienen.

Oder – das ist auch sehr arg –: durch massive Lohnsenkungen in Ländern mit schlechteren Wettbewerbsbedingungen. Daß da Österreich darunterfällt, ist selbstverständlich. Wir sind ein Hochlohnland. In nicht wettbewerbsfähigen Branchen werden deutliche Lohnsenkungen in den betreffenden Ländern die Folge sein. In Österreich wird man damit rechnen müssen, daß Löhne gesenkt werden.

Ich glaube, diese drei Punkte in Und/oder-Kombination werden den Österreicher sehr stark treffen.

Wie schreibt Graf Lambsdorff in der "Frankfurter Allgemeinen" (Bundesrat Dr. Schambeck: Den habe ich gestern getroffen!)  – Herr Professor, ich kann Ihnen das dann in Kopie geben –: Der Flächentarifvertrag muß reformiert werden – das sagt Graf Lambsdorff, immerhin ein international anerkannter Wissenschafter und Politiker –, durch die Einführung der Europäischen Währungsunion nimmt der Änderungsbedarf für strukturelle Reformen der Arbeitsmarktverfassung zu. Durch den Euro wird der Anpassungsdruck auf die nationalen Arbeitsmärkte und damit die Bedeutung der nationalen Lohn- und Tarifpolitik zunehmen. Es wird keine Wechselkurse mehr geben, sodaß überzogene Tariflöhne nicht mehr durch Abwertung korrigiert werden können. Löhne, Preise und Zinsen werden gleichsam die Rolle des Wechselkurses übernehmen. Es ist an der Zeit, das für den deutschen Arbeitsmarkt konstitutive System kollektiv ausgehandelter Tarifverträge gesetzlich zu reformieren.

Meine Damen und Herren! Wenn das eintrifft, dann haben, glaube ich, die österreichischen Arbeitnehmer nichts mehr zu lachen.

Es gibt natürlich die andere Möglichkeit, und sie lautet: Der Euro wird so "stark" wie die italienische Lira. – Daß das dem Wunsch der Österreicher entspricht, wage ich zu bezweifeln.

Wir stehen also in der Zwickmühle zwischen Terminzwang und Stabilitätsversprechen. Ich weiß nicht, wofür ich mich entscheiden soll. Ich meine, das Stabilitätsversprechen wäre höher zu werten, der Terminzwang ist doch keineswegs aus den Maastricht-Verhandlungen und anderen Verhandlungen zwingend ableitbar.

Was die Österreicher hingegen jetzt schon merken, sind die ausgesprochen niedrigen Zinsen für Geldeinlagen. Wissen Sie, warum die Zinssätze so niedrig sind? – Unter anderem deshalb, weil sich die europäischen Banken abgesprochen haben, sonst müßten nämlich überall die Staatsschulden mit hohen Zinsen noch höher werden. Man hält also die Staatsschulden dadurch künstlich niedrig, daß man den Österreichern künstlich ein niedrigeres Zinsniveau für Bankeinlagen gibt.

Man kann es vielleicht auch anders auslegen, aber ein Zusammenhang zwischen der Staatsverschuldung und den niedrigen Zinsen, um die Staatsverschuldung nicht höher werden zu lassen, ist sicher vorhanden.

Zum Schluß noch einige statistische Daten, weil der europäische Mittelstand bis jetzt noch kaum Vorteile aus dem EU-Beitritt erkennen konnte: 61 Prozent erkennen keinen Rückgang der Kosten; 30 Prozent meinen, daß der bürokratische Aufwand erhöht wurde; 50 Prozent haben noch immer Schwierigkeiten beim Vertrieb ihrer Produkte im Ausland; die überwiegende Mehrheit erkennt keinen Vorteil bei Ausweitung der Geschäftstätigkeit; 64 Prozent der "Mittelständer" erkennen keine Verringerung des bürokratischen Aufwandes; 59 Prozent der Unternehmen meinen, daß der Papierkrieg nicht geringer geworden ist.


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