Bundesrat Stenographisches Protokoll 626. Sitzung / Seite 44

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Ich möchte noch einmal betonen: Wir haben das Zustimmungsrecht bekommen, und ohne das Zustimmungsrecht hätten die Landeshauptleute und die Bundesländer im Zusammenhang mit der EU überhaupt keine Gelegenheit gehabt, Druck auf den Bund auszuüben.

Frau Landeshauptfrau! Das war eine historischen Stunde, die wir richtig genützt haben. Wir haben leider die EU-Begleitgesetze passieren lassen, ohne daß vorher das Perchtoldsdorfer Abkommen erfüllt wurde. Ich sage dem Hohen Bundesrat: Lernen wir aus den Fehlern!

Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Es gibt keinen Föderalismus nur für den Bundesrat! Es gibt keinen Föderalismus nur für die Landeshauptleute! Und es gibt auch keinen Föderalismus nur für die Landtagspräsidenten! Die neun Bundesländer verpflichten uns alle! Daher meine ich, daß es sehr wertvoll wäre, wenn wir mehr als bisher zusammenrücken würden. Wenn die Landeshauptleute, die bei jeder Sitzung gerne gesehen sind – die gnädige Frau hat das sicherlich heute bemerkt –, zu uns kommen, so wäre es doch genauso schön, wenn die drei Präsidenten des Bundesrates zur Landeshauptmännerkonferenz kommen könnten. Es genügt nicht, daß der Präsident des Bundesrates bloß ein Mittagessen beispielsweise für die Landtagspräsidenten aus Südtirol, aus Österreich und aus Deutschland gibt – ich werde diese meine Aufgabe Anfang Juni in Kärnten gerne erfüllen –, sondern es ist wichtig, daß auch das Präsidium des Bundesrates an der Landtagspräsidentenkonferenz teilnimmt, sodaß wir uns aufeinander stärker abstimmen können.

Dann wäre auch ein Auftreten des Bundesrates gegenüber dem Bund leichter möglich, dann könnte man verhindern, daß man abgespaltet auftritt. Ich bin überzeugt davon, daß dann, wenn man zur Erfüllung des Föderalismuspakets "Perchtoldsdorf 1992" integrativer vorgegangen wäre, sicherlich etwas anderes herausgekommen wäre als eine Arbeit, die zwar wissenschaftlich hochinteressant ist – das ist gar keine Frage –, die aber zu keiner neuen Föderalismus-Novelle geführt hat. Es ist von der Rechtsgeschichte her gesehen eine Tatsache, daß 1974 und 1984 Föderalismus-Novellen zustande gekommen sind, aber leider nicht 1994, obwohl sich die beiden Großparteien ÖVP und SPÖ in der Koalition befinden. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt. Da sollte man wirklich aus den Fehlern lernen. Es wäre traurig, wenn man bis zum Jahre 2004 darauf warten müßte und ich dann in der Rente, soweit man eine überhaupt noch bekommen können wird, sagen müßte: Du meine Güte, jetzt, 2004, haben sie es doch zusammengebracht!

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß wir uns über alle Verbesserungen bei den Kompetenzen des Bundesrates freuen, daß wir aber den Ausdruck "Aufwertung" ablehnen. Wir haben uns, Hoher Bundesrat, bisher nicht als "abgewertet" empfunden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Das möchte ich ein für allemal hier klarstellen und allen Ghostwritern empfehlen, das bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen. Ich selbst habe als Ghostwriter begonnen. Sie würden sich wundern, für wen ich jetzt bisweilen noch Ghostwriter bin, und zwar im In- und Ausland, in Kirche und Staat. Ich darf Ihnen versichern, meine Damen und Herren, daß ich niemals Minderwertigkeitskomplexe gehabt habe. Ich habe keine im Jahre 1969 gehabt, und ich werde auch keine am 1. Juli, wenn ich nicht mehr Mitglied des Bundesrates bin, haben. Ich bin mir dessen bewußt, daß wir gemeinsam eine Verantwortung zu tragen haben.

Ich darf daran erinnern, daß wir das Zustimmungsrecht auch bei Änderung der Kompetenzen durch einen Staatsvertrag erhalten haben, daß wir die Fragestunde ausbauen konnten, die wunderbar genutzt wird, daß wir das Enqueterecht bekommen haben – wir haben Enqueten über Föderalismus und Regionalismus im integrierten Europa abgehalten, und viele erste Repräsentanten der Länder sind gekommen –, daß wir das Recht der Anfechtung von Gesetzen beim Verfassungsgerichtshof erhielten, allerdings nicht das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, und daß der Bundesrat, ausgenommen das Recht zur Mißtrauensvotierung, also alle politischen Kontrollrechte hat und daß er sogar das Recht zur rechtlichen Kontrolle besitzt, daß er nämlich Gesetze wegen des Verdachts der Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof anfechten kann.

Wir haben allerdings, meine Damen und Herren – das lassen Sie mich hinzufügen –, eine politische Wirklichkeit, in welcher der Parteienstaat den Bundesstaat zudeckt! Ich wiederhole es:


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