Kollege Payer meinte, daß Pfusch in erster Linie wegen der komplizierten Gewerbeanmeldung durchgeführt wird. Das glaube ich nicht. Pfusch wird meiner Meinung nach in erster Linie deshalb gemacht, damit man sich Steuern erspart. Das ist letztlich auch ein Ergebnis der jahrelangen Staatsverschuldung. Wie geht das vor sich? – Der Staat ist verschuldet, dann müssen die Steuern erhöht werden, dann sieht der Staatsbürger nicht mehr ein, warum die Steuern so hoch sind, und versucht, diesen Steuern auszuweichen. In dieser Situation befinden wir uns teilweise. Daher kam es zu den Bemühungen innerhalb des Sparpaketes, um wiederum auf eine glaubwürdige Steuerquote beziehungsweise einigermaßen akzeptable Steuerquote herunterzukommen.
Wie aus der Statistik des vorliegenden Berichtes der klein- und mittelbetrieblichen Unternehmen hervorgeht, gibt es in der Rubrik "Gewerbe und Handwerk" im Jahre 1994 20 Großbetriebe. Das heißt, 20 Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern rechnen sich nicht zur Industrie, sondern zum Gewerbe und Handwerk. – Nach meiner Auffassung ist eine seriöse und sachlich gerechtfertigte Trennung von Gewerbe und Handwerk auf der einen Seite und Industrie auf der anderen Seite nicht möglich. Wenn heute nicht auch Gewerbe- und Handwerksbetriebe nach industriellen Fertigungsmethoden ihre Produkte erzeugen, werden sie nur in den wenigsten Fällen ihre Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen auf den Markt bringen können.
Ich möchte deshalb hier die Frage aufwerfen, ob es gerechtfertigt und sinnvoll oder für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes vorteilhaft ist, wenn die Trennung in Industrie und Gewerbe weiterhin aufrechterhalten wird. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)
Es wird gerne der Spruch "Handwerk hat goldenen Boden" gebraucht. Ich möchte einmal – etwas überzeichnend und provokant – folgende Behauptung in den Raum stellen: Das Handwerk hat keinen goldenen Boden. Sicherlich hatte das Handwerk früher einmal goldenen Boden, aber handwerkliche Erzeugung ohne industrielle Produktionsmethoden hat außerhalb des künstlerischen Bereiches heute kaum mehr wirtschaftliche Überlebenschancen. Viele tausend kleine Handwerksbetriebe können nur mehr mit enormem persönlichen Einsatz der Unternehmer überleben. Trotzdem müssen viele den bitteren Weg zum Konkursrichter gehen.
Nach meiner Auffassung hat die Wirtschaftskammer dabei eine sehr bedeutende Aufgabe für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes in der Zukunft. Die Trennung zwischen Gewerbe und Industrie im Kammerbereich hat sich überlebt! Ich weiß, auch das ist provokant. Außerdem muß ein Umdenken in der Bedeutung und im Image der Industrie stattfinden.
Der handwerkliche Gewerbebetrieb stellt eine Möglichkeit für die Betriebsgründung dar. Es sollte aber als Ziel und Veredelung eines Handwerksbetriebes betrachtet werden, daß er zu einem Industriebetrieb aufsteigt. Ich weiß, daß das nicht einfach ist, sehe aber in einer verstärkten Industrialisierung, die von allen maßgeblichen Stellen des Landes getragen werden muß – überall im Bereich von Schule und Ausbildung –, die besten Voraussetzungen für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung.
Meine Damen und Herren! Damit ich nicht falsch verstanden werde: Das ist nicht gegen die Lehre, nicht gegen die Lehrlinge und nicht gegen das Handwerk gerichtet, sondern ich will sagen, daß sich in den Köpfen der Unternehmer, in den Köpfen der Handwerker etwas verändern muß. Dort muß daran gearbeitet werden. Es sollte nicht heißen: "Ich bin ein kleiner Handwerker und möchte das immer bleiben", sondern es muß heißen: "Hier bin ich der Handwerker, und ich muß nach möglichst rationellen Fertigungsmethoden trachten". Das muß auch das Ziel dieser Ausbildung sein.
Wie sonst wäre es möglich, daß wir in einem Land, in dem es Tausende von Tischlereibetrieben gibt – ich spreche davon, weil ich diesen Sektor kenne; allein in Tirol haben wir über 800 Tischlereibetriebe –, einen Großteil der Möbel importieren müssen? – Da stimmt doch etwas nicht! Diese Betriebe müßten sich – wenigstens der eine oder andere – zu industriellen Erzeugungsbetrieben entwickeln. Ich glaube, daß zu einer anderen geistigen Einstellung kommen muß. Das geht nicht gegen die Institution des Meisters und ähnliche Dinge, sondern
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