Bundesrat Stenographisches Protokoll 626. Sitzung / Seite 95

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gegeben wie jetzt. Lassen Sie mich das in aller Deutlichkeit sagen. Ziehen Sie auch einen Vergleich mit vielen Ländern in direkter Umgebung: Wir haben die niedrigste Inflationsrate seit Jahrzehnten – sie liegt gesichert unter 2 Prozent –, wir haben die niedrigsten Kreditzinsen seit 100 Jahren, wir haben die niedrigsten Unternehmenssteuern in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte, wir haben – zum ersten Mal seit 80 Jahren – freien Marktzugang zu allen Nachbarländern, und wir haben relativ hoch gebildete Facharbeiter. Was das Drama der Arbeitslosigkeit bei uns betrifft, ist zu sagen, daß die 240 000 Arbeitslosen, die wir jetzt haben, zu zwei Dritteln Volks- und Hauptschüler und zu einem Drittel Lehrlinge mit nur einer Lehrlingsabsolvenz sind.

Wenn es unter diesen Rahmenbedingungen so viele Kleinbetriebe nicht schaffen, müssen wir fragen, woran das liegt. Ich habe schon gesagt, daß es zum einen an der fehlenden Allianz und zum zweiten daran liegt, daß wir uns gegenüber den Kleinbetrieben auch in der Bürokratie austoben. Alle Großbetriebe in Österreich schaffen es, ein durchschnittlich drei Monate dauerndes gewerberechtliches Zulassungsverfahren über sich ergehen zu lassen. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen hingegen dauert es bis zu eineinhalb und mehr Jahren. Das erste wird sein müssen, daß wir aufgrund dieser Analyse ansetzen.

Wer Unternehmer wird, soll sich dafür nicht ständig rechtfertigen müssen. Wir werden es mit dem Anlagenrecht schaffen, daß wir in allen Fällen mit drei Monaten maximaler Frist zu Rande kommen. Davon bin ich überzeugt. Wir sehen, daß sich dieser Trend in den Ländern schon durchzusetzen beginnt.

Wir werden die Regulierungen im Gewerberecht auf ein Mindestmaß zurücknehmen müssen, welches sicherstellt, daß unser duales Ausbildungssystem noch funktioniert; ansonsten sollten wir eher die Freiheit spielen lassen. Das wird derzeit im Wirtschaftsausschuß des Nationalrates diskutiert. Von rund 800 im Gewerberegister Wien eingetragenen Berufen werden künftig noch ungefähr 80 geregelt sein. Das kann man einen minimalen Anteil nennen!

Ich darf Ihnen sagen, daß in dieser Gewerbeordnung vorgesehen sein wird, alle freien Berufe jährlich einmal zu publizieren. Wir sind in der Wahl des Berufes sehr einfallslos geworden. 80 geregelte Berufe gibt es – aber es können doch nicht alle Berufsanfänger Tischler, Installateur oder Friseur werden! Die Zukunft liegt heute in anderen Berufen, und diese gilt es auch zu propagieren.

Vieles an den Rahmenbedingungen für Mitarbeit müssen wir neu gestalten. Hinsichtlich der Lehrlinge ist an den Entwurf des Berufsausbildungsgesetzes zu erinnern, der nächste Woche im Ministerrat vorgelegt werden wird. Wir müssen zu Verhältnissen kommen, in denen es nicht mehr möglich ist, daß der Lehrling als Dümmling oder Däumling arbeitet und eine Stunde später in der Disco als voller Kunde gewertet wird. – Aber das kommt einem kleinen Wunschkonzert gleich.

Meine Damen und Herren! Es ist hier zitiert worden, was ich im Wirtschaftsausschuß des Hohen Hauses über den vorliegenden Bericht sagte: Ich frage mich, ob Berichte wie dieser auf Dauer zeitgemäß sind. – Das hat folgenden Grund: Dieser Bericht wurde 1982 eingeführt, zu einer Zeit, in der ganz Österreich nur von Industriepolitik sprach, und er sollte Anlaß geben, wenigstens alle zwei Jahre einmal im Hohen Haus einige Stunden lang über Mittelbetriebe zu reden.

Heute aber spricht vieles dafür, nicht auf alte Statistiken zu warten, diese hochzurechnen und zu interpretieren, sondern zu einem anderen System überzugehen, wie es bereits angesprochen worden ist. Heute sollten wir uns eher auf akkurate Ad-hoc-Statistiken stützen, die typisch, auf geringerer Datenbasis beruhend, elektronisch zurückgerechnet, den Unternehmen sofort zur Verfügung gestellt, notfalls sogar gegen Bezahlung, bessere Informationen zur Verfolgung der rezenten Entwicklungen bereitstellen.

Was mich als Wirtschaftspolitiker heute immer wieder ärgert, ist, daß wir uns ständig von Instituten – wie immer sie heißen mögen – durch "gewillkürte" Umfragen unter 200, 500 oder 700 Konsumenten die Wirtschaftslage erklären lassen, obwohl wir die Möglichkeit haben könnten – wie es jeder Handelskonzern, jedes Industrieunternehmen und auch das EAN über


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