Bundesrat Stenographisches Protokoll 626. Sitzung / Seite 107

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Hinblick auf eine eventuelle Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes versucht, Möglichkeiten auszuarbeiten, wie man diesen Problemen in Zukunft Herr werden könnte.

Ein weiterer Bereich, der als wichtiges Ziel postuliert wurde, war die Förderung der gewaltlosen Erziehung. Von allen Bundesländern wird der Erfolg derzeit als eher gering eingestuft, weil nach Meinung der Experten, die auch an diesem Bericht gearbeitet haben, der Nutzen dieser Maßnahmen erst nach Jahren wirklich sichtbar werden kann. Zudem liegt derzeit die Beurteilung vor, daß Gewaltbereitschaft insgesamt im Steigen begriffen ist und daß daher die Möglichkeiten der Jugendwohlfahrt allein nicht ausreichen, um diesen Trend zu bremsen oder zu verhindern.

Der dritte Schwerpunkt, die Gewährleistung des Anhörungsrechtes der Kinder, ist für alle Bundesländer ein wichtiges Anliegen. Das wurde in diesem Bericht ausgedrückt und auch umgesetzt. Die Akzeptanz der Entscheidungen durch die Betroffenen hat sich dadurch für mich klar, eindeutig und merklich verbessert. Das einzige, was wir in Zukunft stärker beachten müssen, ist, daß dabei kindergerechter vorgegangen und in Zukunft mehr Augenmerk darauf gelegt wird, daß bei diesem Anhörungsrecht das Setting so gestaltet wird, daß sich die Kinder dabei wohlfühlen und ernstgenommen werden.

Die Behandlung der Eltern als gleichberechtigte Partner der Jugendwohlfahrt hat sich nach Ansicht aller Bundesländer sehr stark verbessert. Aber auch dieser Bereich kann noch nicht als völlig optimal angesehen werden, weil natürlich auch heute noch viele Eltern, auch wenn sie ihre Erziehungsaufgaben nicht so wahrnehmen, wie es sich die Gesellschaft erwartet, und dabei überfordert sind, trotzdem immer noch die überkommene Einstellung haben, daß die Erziehung des Kindes sie allein etwas angeht, nur sie betrifft und sie machen können, was sie wollen. Wir wissen, daß wir noch sehr viel daran arbeiten müssen, um diese Einstellung zu verändern.

Im Zusammenhang mit den Kinder- und Jugendanwaltschaften ist es uns im Frühjahr 1995 auch in Tirol gelungen, die nunmehr letzte Kinder- und Jugendanwaltschaft zu schaffen, sodaß wir jetzt in Ruhe abwarten können, wie sich diese Einrichtungen bewähren werden. Sie sind sehr unterschiedlich ausgestattet, sowohl materiell als auch personell, und man muß sich jetzt sicherlich noch eine Weile gedulden, bis eine objektive Beurteilung vorgenommen werden kann. Aber man kann nach Beobachtung der ersten Fälle sagen, daß diese Stellen ihre Aufgaben sehr gut wahrnehmen und vor allem auch im medialen Bereich sehr positiv zur Kenntnis genommen werden und schon sehr viel erreicht haben.

Zu den fehlenden Statistiken möchte ich nur anmerken, daß die Statistiken, die derzeit vorliegen, nämlich für die Zeit von 1991 bis 1993, beweisen, daß vor allem die Förderung der Familien bei ihren Erziehungsaufgaben eindeutig gelungen ist. Denn waren noch 1991 39 677 Minderjährige unter Betreuung der öffentlichen Jugendwohlfahrt, so hat sich diese Zahl von 1991 auf 1993 auf 26 635 vermindert. Das heißt: Es konnten zusätzlich mehr als 13 000 Minderjährige bei ihren Eltern belassen werden und wurden von der öffentlichen Jugendwohlfahrt nur unterstützt. Die genannten 26 635 Minderjährigen stellen insgesamt 1,5 Prozent der minderjährigen Gesamtbevölkerung, sodaß also nur 1,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen in andere Betreuungsverhältnisse kommen müssen, wovon 9 Prozent aber ausländische Kinder und Jugendliche sind. Daran merkt man auch, daß sich das Problem der ausländischen Kinder eindeutig in der Zunahme befindet.

Abschließend möchte ich für mich feststellen, daß dieser Bericht klar zum Ausdruck bringt, daß sich die Betreuung der Minderjährigen unter Belassung in ihrer bisherigen Umgebung und unter Freiwilligkeit der Inanspruchnahme der entsprechenden Einrichtungen bewährt hat und daß dieser Form daher auch in Zukunft der Vorrang zu geben ist. Ich möchte mich hier insbesondere bei den Beamten bedanken, die diesen Bericht für uns erarbeitet haben, denn sie leisten für eine Gruppe, die zu den ärmsten der Gesellschaft gehört, hervorragende, verantwortungsbewußte Arbeit leisten. Wir nehmen daher diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

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