Bundesrat Stenographisches Protokoll 626. Sitzung / Seite 108

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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

16.28

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Präsidentin des Bundesrates! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nahtlos an das anschließen, worüber der gerade in dieser Frage äußerst sachkundige Bundesrat Wilfing berichtet hat.

Meine Damen und Herren! In diesem Jugendwohlfahrtsbericht wird eine durchwegs positive Bilanz über all das gezogen, was man mit dem Bundesjugendwohlfahrtsgesetz 1989 und mit den inzwischen erlassenen Landesgesetzen erreichen sollte und wollte. Kurz gesagt: Es wurde eine moderne Jugendwohlfahrt geboren, die alte Fürsorge ist tot. Es geht darum – das ist erfolgreich umgesetzt worden –, die Erziehungskraft der Familien zu stärken, den Familien in Krisensituationen Unterstützung zu geben, in möglichst vielen Fällen seitens der Jugendwohlfahrt auch im Bereich der Familie aktiv zu werden und die Kinder nicht aus der Familie zu entfernen und damit das vorrangige Ziel dieser Gesetzgebung zu erfüllen.

Meine Damen und Herren! Auch wenn Frau Kollegin Mühlwerth von der freiheitlichen Fraktion gemeint hat, daß die Ursachen tiefer liegen und Gründe für bestehende Probleme in der Familienpolitik zu suchen seien, möchte ich betonen, daß es jedenfalls als Erfolg zu werten ist, wenn im Jahre 1993 nur mehr 26 600 Kinder von der Jugendwohlfahrt betreut wurden, während es im Jahr 1991 noch knapp 40 000 Minderjährige waren. Frau Bundesrätin! Von diesen 26 600 konnten 18 300 weiter in der eigenen Familie betreut werden, und überhaupt nur in 408 Fällen mußten die Kinder auf Basis einer gerichtlichen Verfügung aus der Familie entfernt werden, in den übrigen Fällen konnte darüber Einvernehmen erzielt werden. Diese Zahlen geben, glaube ich, ein gutes Zeugnis und unterstützen meine Aussage, daß die Fürsorge alter Prägung, vor der sich im Prinzip alle gefürchtet haben, Kinder und Eltern, im wahrsten Sinne des Wortes tot ist und der Vergangenheit angehört.

In Anbetracht dessen können wir uns jedoch keinesfalls zurücklehnen. Viel bleibt noch zu tun. Es ist dies kein spezifisches Thema der Jugendwohlfahrt, aber die immer wieder schockierenden Berichte über Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern, sexuellem Mißbrauch an Kindern in Familien geben zu denken. Da sehen wir für uns Aufträge, das fordert uns heraus.

Wenn Kollege Schlögl eine an sich beachtliche Kriminalstatistik für das letzte Jahr präsentieren konnte, jedoch die Anzahl der Anzeigen im Bereich des sexuellen Mißbrauches von Kindern gestiegen ist, so führe ich diese Steigerung der Anzeigen vor allem darauf zurück, daß dieses Tabuthema endlich enttabuisiert wird. Trotzdem muß man hier wachsam sein. Ich darf dem Hohen Bundesrat berichten, daß Herr Bundeskanzler Klima und die Bundesregierung heute die Befassung einer interministeriellen Arbeitsgruppe auf höchster Ebene beschlossen haben, die sich diesen Themen Gewalt gegen Kinder und sexueller Mißbrauch von Kindern konzentriert widmen soll. Dieser Beschluß wurde auch deswegen gefaßt, weil sich anhand des Wegweiserechts, das seit 1. Mai dieses Jahres in Kraft ist und das Produkt einer gemeinsamen Kraftanstrengung des Justizministers, des Innenministers, der Frauenministerin und meiner selbst war, gezeigt hat, daß auf Basis einer derartigen übergreifenden Zusammenarbeit mehr zustande kommt, als wenn Ministerien allein tätig werden.

Das von Bundesrat Wilfing angesprochene Netzwerk wider die Gewalt basiert auf einem Entschließungsantrag des Parlaments, dem ich sehr gerne nachkomme. Die Jugendwohlfahrtsträger in den Ländern sollen Anlaufstellen und Netzwerkträger sein. Beamte meines Hauses arbeiten an der legistischen Umsetzung. Es soll auf Basis von Checklisten, die in einfacher und verständlicher Form verfaßt sind, einerseits für das pädagogische Personal, andererseits für das medizinische Personal, kurz gesagt: für Lehrer und für Ärzte, einfacher gemacht werden, verdächtige Verletzungen und Verhaltensänderungen bei Kindern zu registrieren und dies gegebenenfalls an die Jugendwohlfahrtsbehörde zu melden. Dort kann dann anhand der Zusammenfassung der Daten leichter festgestellt werden, wo es zu Häufungen auffälliger Vorkommnisse


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