Ein Parlament, das zur Wahrung des Verfassungsrechtes zuständig ist, behindert in diesem Fall nämlich selbst seine Kontrolle und die Wahrung der Grundsätze demokratischer Verfassungsstaatlichkeit, auf die wir den Eid geleistet haben.
Diese Forderungen nach einer weiteren Verbesserung der Stellung des Bundesrates soll uns alle diesbezügliche, bisher schon erfolgten Neuerungen nicht vergessen lassen. Meine Damen und Herren! Meist bedenkt man nur das Fehlende und vergißt das Erreichte!
Erlauben Sie mir deshalb, auch davon in dieser Sitzung des Abschiednehmens zu reden, denn das Erreichte und Erlangte vergangener Jahre und Jahrzehnte waren Etappen des Miteinanders im Nationalrat und im Bundesrat.
So weise ich auf die neue Geschäftsordnung des Bundesrates von 1984 und auf die begleitende Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle hin. Sie brachten das Zustimmungsrecht des Bundesrates bei Änderung der Kompetenzen zu Lasten der Länder, welches das wichtigste Recht einer Länderkammer ist; es wäre im Bundes-Verfassungsgesetz 1920 undenkbar gewesen! Erst durch dieses absolute Veto des Bundesrates hatten die Bundesländer mit ihren Landeshauptleuten eine starke Stellung anläßlich der Verhandlungen der Länder mit dem Bund über die Teilnahme Österreichs an der Europäischen Integration, entsprechend Position zu beziehen.
Nicht unerwähnt sei auch die Einführung des Teilnahme- und Rederechtes der Landeshauptleute, der Ausbau der Fragestunde und das Recht, Enqueten abzuhalten. 1988 kam es auch zur Verankerung des Gesetzesanfechtungsrechtes beim Verfassungsgerichtshof für ein Drittel des Bundesrates.
1992 wurde als ebensolches parlamentarisches Minderheitenrecht für ein Drittel der Bundesräte das Gesetzesinitiativrecht an den Nationalrat eingeführt. Nicht unerwähnt sei auch, daß der Bundesrat in diesem Halbjahr aufgrund einstimmigen Wunsches für die Vorbereitung eines Vorschlages zur Nominierung eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes an den Herrn Bundespräsidenten erstmalig in diesem Haus ein Hearing abgehalten hat. Auf diese Weise hat der Bundesrat, Hohes Haus, zwar keine Mitwirkung an der finanziellen Kontrolle, wohl aber, wie der Nationalrat, an der rechtlichen und politischen Kontrolle – ausgenommen das Recht auf Untersuchungsausschüsse und auf die Mißtrauensvotierung. Mir ist aber nicht bekannt, daß auch nur einmal eine Regierung durch das Recht der Mißtrauensvotierung abgelöst worden ist.
Erfreulich war auch in letzter Zeit die Mitwirkung des Bundesrates in EU-Angelegenheiten, wozu heute ein weiterer Geschäftsordnungsreformschritt in erfreulicher Weise gesetzt werden kann.
Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Vergleicht man diese Bemühungen um Reformen für Föderalismus und Parlamentarismus, so wäre es zu wenig, diese bloß im Institutionellen allein erschöpft zu sehen. Es kommt vielmehr darauf an, all dies mit einem Bewußtseinsprozeß zu verbinden, der jene Solidargesinnung über alle Landes- und Parteigrenzen als Beitrag zu den Grundwerten unserer Republik entstehen läßt, die gerade jetzt in der Vorbereitung auf unsere Teilnahme an der Europäischen Währungsunion so wichtig ist.
Nicht als Neid-, nicht als Streit-, sondern als Leistungsgemeinschaft werden wir mit unseren Bundesländern in Österreich, mit Österreich im integrierten Europa und mit diesem in der weltweiten Völkergemeinschaft bestehen können. Hohes Haus! Das erwartet auch die Welt von uns!
Ich möchte damit, meine Damen und Herren, nicht bloß große Worte gelassen aussprechen, sondern Erfahrungen wiedergeben, die ich in diesem Halbjahr aufgrund offizieller Einladungen im In- und Ausland und auch transkontinental sammeln konnte. Sie gaben nämlich Gelegenheit zu kurzen Besuchen mit Aussprachen: im Februar 1997 im englischen Parlament in London und im französischen Senat in Paris, im März im japanischen Parlament in Tokio, im Mai im slowenischen Staatsrat in Laibach und kürzlich, im Juni 1997, in Moskau – wobei ich aus diesem Anlaß auch zu einer Rede vor dem russischen Föderationsrat eingeladen war.
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