Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 122

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dar. Ich räume das gerne ein. Dennoch kann von einem zentralen wirtschaftspolitischen Reformwerk oder gar einem großen Wurf oder Meilenstein, wie dieses Gesetzespaket allzu euphorisch bezeichnet wurde, keine Rede sein.

Als den Kernpunkt meiner Kritik greife ich die Neuregelung des Betriebsanlagenrechtes heraus. Diese setzte sich zum Ziel, die Verwaltung zu vereinfachen, die Verfahren zu beschleunigen und die Betriebsgründungen zu erleichtern. Die Verwirklichung dieser proklamierten Ziele scheitert aber zwangsläufig am eklatanten Vollzugsdefizit in diesem Sachbereich. Nach einer im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten verfaßten Studie des Leiters der Abteilung für Umweltpolitik der Wirtschaftskammer Österreich, Dozent Dr. Stephan Schwarzer, hätten die Gewerbebehörden etwa 50 000 Genehmigungsverfahren im Jahr durchzuführen. Das ist eine Zahl, die Kollege Harring heute schon genannt hat. Tatsächlich aber finden nur zirka 15 000 Verfahren statt, davon 10 Prozent nach vereinfachten Genehmigungsverfahren.

Daraus ergibt sich, daß ein erheblicher Teil der Anlagen konsenslos oder sogar konsenswidrig betrieben wird. Experten halten fest, daß es nahezu einer Rechtsverweigerung gleichkäme, würden die Behörden tatsächlich den vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung vorgegebenen Maßstab anlegen.

Diese für einen Rechtsstaat untragbare Situation, die zu Rechtsunsicherheit und Willkür führt, wird durch die vorliegende Novelle nicht behoben. Insofern verdient sie auch nicht die positive Charakterisierung als bahnbrechende Reform des Betriebsanlagenrechts.

Da mit einer entsprechenden Ausweitung des Personalstandes der Gewerbebehörden keineswegs zu rechnen ist, läßt sich das angesprochene Vollzugsdefizit auch in Zukunft nicht beheben.

Gerade in diesem Zusammenhang ist kritisch anzumerken, daß es die Novelle verabsäumt hat, das Betriebsanlagenrecht der so lautstark gerühmten Deregulierung zu unterziehen. Nach wie vor bleiben auch Bagatellanlagen mit geringfügiger Umweltrelevanz genehmigungspflichtig. Den erwähnten 15 000 Genehmigungsverfahren pro Jahr in Österreich, davon bloß 5 000 Neuanlagen betreffend, stehen in Deutschland – auch diese Zahl wurde heute schon genannt – lediglich rund 6 000 und in Großbritannien gar nur zirka 360 Verfahren gegenüber. Die verkürzte Verfahrensdauer, die freilich durch zunehmenden Abbau der Anrainerrechte teuer erkauft ist, bietet dafür nur einen unzureichenden Ausgleich dieses Wettbewerbs und Standortnachteils. Zudem konzentriert sich das österreichische Betriebsanlagenrecht in vergleichender Betrachtung allzu sehr auf das Genehmigungsverfahren; demgegenüber sind Instrumente zur Überwachung der einmal genehmigten Anlagen ziemlich unterentwickelt.

Nach dem Vorbild der Vierten Verordnung zum deutschen Bundesimmissionsschutzgesetz hätte besser ein Anlagenkatalog erstellt werden sollen, der die genehmigungspflichtigen Betriebsanlagen taxativ erfaßt. Alle übrigen Anlagen bedürften dann keines Genehmigungsverfahrens mehr, ihre Betreiber wären aber dessen ungeachtet dazu verpflichtet, diese Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind; aber auch daß unvermeidbare schädliche Einwirkungen auf die Umwelt auf ein Mindestmaß beschränkt werden; und daß die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. Zur Überprüfung dieser Vorgaben wäre ein Anmeldungsverfahren für Erstzulassungen und bei Anlagenänderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht wesentlich beeinflussen, einzuführen.

Dem Projektwerber stünde es bei nicht genehmigungspflichtigen Vorhaben dennoch frei, von sich aus ein anlagenrechtliches Genehmigungsverfahren zu beantragen. – Aber von dieser versäumten Gelegenheit einer echten Reform zurück zur Vorlage. Die im § 76 Gewerbeordnung eingeführte Typenzulassung ist gut gemeint. Sie wird jedoch kaum Bedeutung erlangen, weil die Praxis die Anforderungen an die Typisierung zumeist nicht erfüllen kann. Besser wäre es gewesen, in generalisierter Form typisierte Anlagen vorzusehen, bei denen dann die konkrete Prüfung, ob sie dem Stand der Technik entsprechen, entfallen könnte.


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