Bundesrat Stenographisches Protokoll 628. Sitzung / Seite 124

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gerade bei diesen höchst begrüßenswerten Neuerungen hat die Gesetzesverfasser offenbar allzufrüh die Angst vor dem eigenen Mut ergriffen. Versäumt wurde insbesondere der kraftvolle Ausbau der sogenannten verwandten Gewerbe, die bisher nur im Ansatz verwirklicht sind. Darüber tröstet auch die neue Kategorie des verbundenen Gewerbes nicht hinweg.

Alles in allem trägt auch die Gewerbeordnungsnovelle 1997 noch immer allzu sehr die Handschrift von Interessenvertretern, die primär dem Schutz vor unerwünschter Konkurrenz verhaftet sind. Daran vermag auch die selbstbewußte Etikettierung als grundlegende Reform im Zeichen von Liberalisierung und Deregulierung nichts zu ändern. (Bundesrat Dr. Kaufmann: Und was sagen Sie den Steuerberatern, Kollege?) – Ich bin nicht ihr Vertreter!

Eben deshalb, weil diese Ziele nur halbherzig angestrebt und daher auch nicht ausreichend verwirklicht worden sind, können wir diesem Flickwerk der Sozialpartner, die sich damit einmal mehr als Hüter "geschützter Werkstätten" erwiesen haben, nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

18.17

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Herr Professor Böhm! Ich erspare es mir, auf Ihre Paragraphenreiterei in irgendeiner Form einzugehen. Das, wie Sie die Ausführungen hier brachten, erinnerte mich an junge Kätzchen, die wir derzeit zu Hause haben, die immer versuchen, sich in den Schwanz zu beißen und dabei ständig im Kreis herumlaufen.

Sie glauben, auf der einen Seite einer Deregulierung das Wort sprechen zu müssen, und führen auf der anderen Seite x Paragraphen an, die in dieser Gewerbeordnung nicht erfüllt sind. Glauben Sie mir, so geht das nicht! Wir in der Wirtschaft brauchen eine Vereinfachung der Gesetzeslandschaft. (Bundesrat Dr. Tremmel: Nichts anderes hat er gesagt! – Bundesrat Waldhäusl: Das hat er ja gesagt!)

Österreich, so heißt es, braucht mehr Selbständige, braucht mehr freie Unternehmer. Der Anteil der Selbständigen mit zirka 6 Prozent ist in Österreich viel zu gering. Mit dieser Reform der Gewerbeordnung ist ein erster Schritt und zugegebenermaßen ein sehr bedeutender Schritt in die richtige Richtung gesetzt worden. Mehr Österreicher sollen damit in die Selbständigkeit gebracht werden.

Wer allerdings glaubt, daß sich mit einer Reform der Gewerbeordnung und mit einer Vereinfachung des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes der Anteil der Selbständigen in Österreich wesentlich erhöhen wird, der ist auf dem Holzweg. Mit diesen Reformschritten sind nur die Türen zur Selbständigkeit, die verriegelt oder teilweise eingerostet waren, geölt worden, damit sie sich leichter öffnen lassen.

Solange die Gesamtbelastung der Unternehmer in einem so krassen Mißverhältnis zur Sicherheit seiner Partner, sprich seiner Mitarbeiter, steht, wird es schwer sein, jungen Menschen den Weg in die Selbständigkeit schmackhaft zu machen. Wenn ihnen in der Unselbständigkeit ein angenehmer Arbeitsplatz, hohes Einkommen und Absicherungen nach allen Richtungen geboten werden, wären sie ja dumm, würden sie die Risikolaufbahn eines Unternehmers einschlagen.

Mit der Möglichkeit von Teilgewerben wird ein Weg beschritten, der in der Zukunft noch weiter ausgebaut werden muß. Sie, Herr Minister, haben in Ihrer Rede angekündigt, diesen Weg zu beschreiten. Ich glaube, er ist richtig. Bleiben Sie dabei!

Leider ist es nicht gelungen, daß für kleinere Betriebe die Meisterprüfung als Grundlage für die Gewerbegenehmigung generell entfällt. Ich verstehe, daß es dabei vor allem um die Ausbildung der Lehrlinge geht. Für die praktische Ausbildung des Unternehmers ist nach meiner Auffassung die Facharbeiterausbildung mit einer entsprechenden Praxis völlig ausreichend.


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