Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 19

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Antrittsansprache des Präsidenten

9.06

Präsident Dr. Günther Hummer: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im turnusmäßigen Wechsel übernimmt im zweiten Halbjahr 1997 das Land Oberösterreich den Vorsitz im Bundesrat. Als Erstgereihtem obliegt mir die ehrenvolle Aufgabe, den Vorsitz als Präsident zu führen. Ich danke dem Oberösterreichischen Landtag für die Wahl und das damit zum Ausdruck gebrachte Vertrauen. Ich werde mich bemühen, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Das zweite Halbjahr 1997 läßt ja eine Reihe föderalismuspolitischer Entscheidungen von großer Bedeutung erwarten. Es seien hiefür als Beispiele die Begriffe "Bundesstaatsreform", "Konsultationsmechanismus" und "Bundesratsreform" plakativ genannt.

Im kommenden Halbjahr soll das Land Oberösterreich in den Blickpunkt der Betrachtungen gestellt werden. Die wirtschaftlichen Kennzahlen dieses Bundeslandes, vor allem seine Arbeitsplatzsituation, liegen an Spitzenplätzen innerhalb Österreichs.

Das Land Oberösterreich hat eine landschaftliche Vielfalt von außerordentlichem Reiz, pflegt eine reiche Kultur und hält Traditionen hoch. Es ist es wert, dieses Land, das sich zwischen dem ernsten Böhmerwald, dem lieblich-romantischen Salzkammergut, den sanften Hügeln des Innviertels und der alten Eisenstadt Steyr erstreckt und mehr als 1,3 Millionen Menschen Heimat bietet, näher kennenzulernen.

Ich freue mich besonders darüber, daß der erste Repräsentant des Landes Oberösterreich, Herr Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, heute in den Bundesrat gekommen ist und von seinem Rederecht Gebrauch machen wird. Ich begrüße ihn sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Überhaupt sei allen Repräsentanten des Landes Oberösterreich, die heute gekommen sind, allen lieben Gästen und Freunden, meiner lieben Gattin und meinen Töchtern ein herzlicher Gruß entboten. (Allgemeiner Beifall.)

Wenn man eine Reform des Bundesrates ernstlich will, so müssen vorerst folgende Fragen gestellt und auch beantwortet werden:

Was vermag der Bundesrat, wie er ist, in der verfassungspolitischen Realität?

Was sollte er können, um als eine effiziente Vertretung der Länder im Bereich der Bundesgesetzgebung fungieren zu können?

Bedarf es demnach wirklich einer Reform, und wenn ja, was wären die wichtigsten Reformschritte?

Obwohl der Bundesrat häufig als "Länderkammer" des Parlaments angesprochen wird, ist er von seinem verfassungsmäßigen Konzept her ein Organ des Bundes, das seine Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes kooperativ mit dem Nationalrat zu bewerkstelligen hat. Der Bundesrat ist nicht als Widerpart des Nationalrates geschaffen worden, sondern als partnerschaftliches Korrektiv des Nationalrates.

Obwohl die Mitglieder des Bundesrates nach dem Wortlaut der Verfassung als Vertreter der Länder in den Bundesrat entsandt werden, genießen sie – gleich wie Abgeordnete zum Nationalrat oder zu den Landtagen – als Parlamentarier freies Mandat und Immunität. Hier wird der kompromißhafte Charakter, ja das ansatzweise in sich widersprüchliche Konzept des Bundesrates deutlich, wie ihn das Bundes-Verfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920 seinerzeit eingerichtet hat. Unsere Verfassung erweckt zwar den Eindruck, daß die Mitglieder des Bundesrates Delegierte der Länder wären, läßt aber ungeklärt, welchen Inhalt eine solche Delegierung bei freiem Mandat der Delegierten haben sollte.

Es bleibt also dem Bundesrat nach der geltenden Verfassung nur die Funktion eines partnerschaftlichen Korrektivs, wie erwähnt – nicht mehr und nicht weniger. Der Begriff "Länder


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