Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 77

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Herren, es kommen auch derzeit außergerichtliche stille Ausgleiche zustande, obwohl die Vertragsverhandlungen nicht geheim bleiben und bei Anfragen sehr wohl Auskünfte über die Bonität des Schuldners erteilt werden. Es liegt aber auch in der Hand des Schuldners, sich mit seinen wichtigsten Vertragspartnern vor Einleitung eines Reorganisationsverfahrens in Verbindung zu setzen, um sie vorweg über das geplante Verfahren und den voraussichtlichen Reorganisationsplan zu informieren, damit das Bekanntwerden diese Vertragspartner nicht zu unerwünschten Reaktionen veranlaßt. Aber selbst das Bekanntwerden des Reorganisationsverfahrens ohne vorherige Kontaktierung wird doch nicht unbedingt dazu führen müssen, daß der Vertragspartner seine Beziehungen abbricht oder auf eine andere Grundlage gestellt haben will. Es haben auch große Insolvenzen gezeigt, daß es sich gewisse Vertragspartner gar nicht leisten können, nicht weiterzuliefern oder zu bestimmten Bedingungen zu liefern, weil sie sonst Gefahr gelaufen wären, diese Geschäftsverbindung zu beenden.

Was den Wunsch nach einer weiteren Erhöhung der Attraktivität des Verfahrens durch zivilrechtliche Maßnahmen, also in Richtung Chapter 11, betrifft, so darf ich noch einmal sagen, daß ich der Auffassung bin, daß es weder einen Exekutionsschutz noch einen Konkursschutz geben kann, aber auch nicht die immer wieder geforderte Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger. Das Unternehmensreorganisationsverfahren setzt Solvenz voraus, also auch Liquidität, und es wäre unserem Rechtsverständnis nicht entsprechend, daß bei Verweigerung einer Zahlung eines solventen, zahlungsfähigen, Schuldners der Gläubiger nicht Exekution führen kann. Der Konkurs ist zu eröffnen, wenn Insolvenz eintritt. Vorher ist eine Gläubigerüberstimmung oder Mehrheitsentscheidung unannehmbar, weil nach unserem Verständnis ein Eingriff in die Gläubigerrechte eines solventen Unternehmers nicht durch eine Mehrheit zugelassen werden kann.

Im Vordergrund stehen für mich die Frage der Stimulierung des Unternehmers zu betriebsinternen Maßnahmen und die Ermöglichung der Aufnahme nur eingeschränkt anfechtbarer Reorganisations- und Überbrückungskredite zur Finanzierung solcher betrieblicher Maßnahmen, zur Finanzierung gewinnorientierter Projekte, wie sie der Reorganisationsplan ausweist, und auch zur Deckung der laufenden Kosten, um eine Reorganisation des Unternehmens zu erleichtern.

Insgesamt muß man sich hüten, wenn man in Zukunft dieses Gesetz rückblickend betrachten wird, die Bedeutung dieses Unternehmensreorganisationsgesetzes bloß an der Zahl der gerichtlichen Verfahren zu messen. Es dient nämlich gerade dieses Verfahren mit den erwähnten Kennzahlen, die – um es noch einmal zu sagen – bloß als Warnsignale fungieren und anregen, sich mit seinem Unternehmen mit Hilfe von Fachleuten auseinanderzusetzen, dazu, die Sensibilisierung der Unternehmer für eine nachhaltige, vorausschauende Kontrolle zur raschen Erkennung von Krisenentwicklungen zu erhöhen und allgemein das für viele Insolvenzen der letzten Jahre verantwortliche niedrige betriebswirtschaftliche Niveau unserer österreichischen Unternehmungen und der gesamten Wirtschaft anzuheben. Diese Wirkung halte ich für die wichtigste dieses Gesetzes. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. Ich erteile es ihr.

13.51

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich habe Ihnen genau zugehört, Herr Minister, und kann sagen, es ist natürlich in der Novelle zum Insolvenzrecht etliches vorhanden, das sehr positiv ist. Aber ich möchte das einmal von der Praxis her beleuchten.

Das Unternehmensreorganisationsgesetz ist in der Praxis als wirklich schwierig anzusehen. Erstens: Verpflichtend ist die Einbegleitung nur für die prüfpflichtigen Großunternehmen. Das sind jene Unternehmen, die sowieso einen Stab an Beratern, Anwälten, Steuerberatern, Buchhaltern, Marketingexperten und Wirtschaftsprüfern haben. Zweitens: In der Praxis bringt es tatsächlich überhaupt nichts. Der Unternehmer kann überhaupt nichts damit erreichen. Ein Kon


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