Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 128

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im Parlament, das unablässig neue Gesetze beschließt und alte novelliert, ohne sich über die praktische Exekutierbarkeit dieser Flut Gedanken zu machen. Hier wäre zumindest einmal zu verlangen, daß der Nationalrat für jedes neue Gesetz, das er beschließt, zumindest ein altes außer Kraft setzt."– Ich halte diese Anregung für hervorragend.

Und weiter heißt es: Noch besser: zwei alte für ein neues, damit unsere Gerichtsbarkeit wieder eine Chance hat, dem Bürger zu dienen. – Zitatende.

Ich meine, Herr Nimmerrichter sieht das sehr praktisch, er sieht es so, wie es die Bürger wollen, und wir wollen es eigentlich auch so. Jetzt stellt sich die Frage: Was macht der Bundesrat? – Wie Sie vielleicht mitbekommen haben, fand in Bayern vor kurzem eine Volksbefragung über den Sinn des Bayrischen Senates statt. Bayern hat auch eine zweite Kammer. Das einzige deutsche Bundesland, welches eine zweite Kammer hat, ist Bayern. Es gibt dort also den Senat, dieser ist ständestaatlich strukturiert. Er fühlt sich sehr gut, die Ideen sind "fesch", nur wurde ihm vom Leitartikelverfasser der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" der Rat erteilt, nicht immer über die eigene Existenz zu grübeln und darüber, was für Gesetze man für Bayern noch machen könnte, sondern lieber darüber, was das kostet.

Dieser Leitartikler hat gesagt: Macht doch endlich einmal Gesetzesvorschläge, wie die Gesetze weniger werden könnten! – Deswegen bringe ich diese Anregung auch hier ein. Weniger Gesetze, mehr Qualität – das rate ich den Regierungsparteien.

Es ist natürlich auffällig, wenn der Klubobmann der ÖVP, welcher den Freiheitlichen – insbesondere Jörg Haider – vorgeworfen hat, außerhalb des Verfassungsbogens zu stehen, etwas schreibt, in dem er eigentlich den österreichischen Staat als Künstlichkeit bezeichnet. Er schreibt hier – ich zitiere –: Die Künstlichkeit der europäischen Staatsgrenzen, die einer sachgerechten Lösung im Wege stehen, wird immer augenfälliger.

Wenn ein Klubobmann der zweitgrößten Regierungspartei feststellt, daß die Staatsgrenzen im Wege stehen, dann ist das meines Erachtens eine Form von Landesverrat, und zwar Verfassungslandesverrat. Es gibt natürlich auch den Verfassungshochverrat. (Bundesrat Mag. Wilfing: Da habe ich von Ihnen Aussagen gehört, die weit bedenklicher waren! – Weitere Zwischenrufe und Widerspruch bei der ÖVP.)

Sie können es nachlesen. Verlangen Sie den Artikel mit dem Titel: "Staat und europäischer Regionalismus" von Herrn Andreas Khol. In diesem Artikel wird darauf hingearbeitet, daß die natürliche gemeinschaftliche Einheit Europas nicht die Nationalstaaten und ihre Apparate sind. Nein! Die Nationalstaaten werden darin als "künstliche Gebilde" bezeichnet, nicht Zusammengehörendes verbinde sie zu diesen. Es wird gesagt, sie beruhen auf Loyalitäten von einst – ich kann nur sagen: das hört man! –, die schon lange nicht mehr bestehen, abgestorben sind oder ins Wanken geraten. An die Stelle dieser Loyalitäten sei Gewöhnung an das Bestehende, also Leere getreten, schreibt Klubobmann Khol in einem Vortrag.

Ich bin empört, meine Damen und Herren, daß dieser Klubobmann Khol die – ich muß schon so sagen – Frechheit hat, unseren Parteiobmann Haider als außerhalb des Verfassungsbogens stehend hinzustellen. Dieser Khol steht ja überhaupt nicht mehr in der Republik! Er ist anscheinend schon längst woanders hingegangen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Meinen Sie mit "Kohl" das Gemüse?!)

Im Sinne Khols sind die Nationalstaaten Mumien, an deren Stelle natürliche Einheiten treten müssen, und zwar "die europäischen Regionen". – Meine Damen und Herren! Man höre sich das an! Da wird ein neues Verwaltungskonstrukt verlangt, nämlich "die europäischen Regionen". Das wurde während der Französischen Revolution auch gemacht! Nicht erst jetzt, damals, 1778, wurden in Frankreich Verwaltungseinheiten zerschlagen, und zwar zum Zwecke der Revolution! (Lebhafte Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Neue Verwaltungseinheiten wurden geschaffen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sie haben ganz recht, Herr Kollege, aber ich habe noch rechter!

In diesem Sinne meine ich, es ist unmöglich, daß hier bundesstaatliche Reformen verlangt werden und dies auch immer von seiten der ÖVP und SPÖ, gewissermaßen uns begleitend, artiku


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