Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 133

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Jahres, wurde auf der Konferenz in Paris der Grundlagenvertrag zwischen der NATO und Rußland feierlich unterzeichnet. Wahrscheinlich kommt diesem Akt viel höhere Bedeutung zu als der Erweiterung.

Dies alles baut auf einem neuen strategischen Konzept der NATO auf, das bereits seit 1991 in Kraft ist und mit dem sie als erste die Veränderung der geopolitischen Situation in Europa berücksichtigt hat. Wie stark die entsprechende Veränderung der NATO bereits Platz gegriffen hat, kann man vielleicht am besten daran ersehen, daß seit wenigen Wochen auch die Schweiz Mitglied der NATO-Partnerschaft für den Frieden ist – ein Land, das nicht nur kein Mitglied der EU, sondern bis jetzt nicht einmal Mitglied der Vereinten Nationen ist! Dies legt vielleicht am deutlichsten davon Zeugnis ab, welch tiefgreifende Veränderung stattgefunden hat.

Wenn Sie mich nach den wesentlichen Punkten der veränderten Ausgangslage und nach den Argumenten fragen, die im Vordergrund stehen, kann ich Ihnen folgendes antworten. Es muß, wenn es um die Frage einer neuen Sicherheitsarchitektur und Sicherheitsorganisation geht, zweifellos die Frage der Sicherheit selbst im Mittelpunkt der Überlegungen und Betrachtungen stehen. Für uns stellt sich zentral nur die Frage danach, wo wir am sichersten sind: Sind wir sicherer, wenn wir innerhalb dieser Organisation stehen, oder sind wir außerhalb sicherer? – Das ist meiner Ansicht nach vergleichsweise leicht und eindeutig zu beantworten: Wir sind sicherer, wenn wir uns innerhalb dieser Organisation befinden, weil sie zweifellos die effizienteste Organisation Europas ist und die einzige, die diesen Auftrag tatsächlich erfüllen kann.

Es ist kein Zufall, daß die europäischen Staaten selbst beschlossen haben, die sogenannte europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität in Zukunft nicht irgendwo im Bereich von EU oder WEU, sondern im wesentlichen im Bereich der NATO zu organisieren, wenn auch selbstverständlich in engem Zusammenwirken mit EU und WEU. Es ist weiters kein Zufall, daß bis vor der letzten Erweiterung der EU alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union – mit Ausnahme des Sonderfalles Irland – zugleich NATO-Mitglieder waren. Daher sollte aus meiner Sicht langfristig als ein Ziel gesetzt werden, die Identität von EU- und NATO-Mitgliedschaft in Europa herbeizuführen. Den aktuellen Diskussionen können Sie entnehmen, daß man auch in den östlichen Nachbarstaaten Österreichs längerfristig eine solche Zielsetzung ins Auge faßt und als einen möglichen Weg erkennt. Die zweite Frage, die sich in diesem Zusammenhang für mich stellt, lautet: Wie können wir unsere Sicherheitsinteressen am besten durchsetzen? – Ein kleines Land wie Österreich kann seine Sicherheitsinteressen vielleicht eigenständig formulieren, es kann sie jedoch nicht eigenständig durchsetzen, sondern nur im Rahmen größerer Organisationen. Angesichts dessen muß man zweifelsohne sagen, daß wir in Zukunft im Rahmen der NATO sicherheitspolitisch wesentlich bessere Möglichkeiten vorfinden werden als außerhalb.

Was sind die Gründe dafür? – Werfen Sie mit mir einmal einen kurzen Blick darauf, welche Staaten in Zukunft am Entscheidungsprozeß beteiligt sein werden. Es sind die NATO-Vollmitglieder, das heißt, es sind von den europäischen Staaten Island, Norwegen, Dänemark, Holland, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland. Dazu werden die neuen Mitglieder kommen, nämlich Polen, Tschechien und Ungarn, sowie als quasi-assoziiertes Mitglied, das zu allen wichtigen Gesprächen mit beigezogen wird, nunmehr Rußland, in vielen Fällen wahrscheinlich auch die Ukraine.

Halten Sie sich demgegenüber vor Augen, was die Alternative dazu ist! Die Alternative ist eine Staatengruppe, die sich folgendermaßen zusammensetzt: Estland, Lettland, Litauen, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Serbien, Albanien, Rumänien, Bulgarien, eventuell die Ukraine, Georgien, Armenien, dazu Schweden, Finnland und die Schweiz.

Für uns stellt sich die Frage, ob wir der ersten Gruppe angehören wollen oder aber der zweiten.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, wie sich das in der Praxis auswirkt. Die erste Euro-Atlantische Konferenz in Brüssel hat es bereits unmißverständlich gezeigt: Wenn an dem einen Tag 20 Staaten miteinander an einem Tisch gesessen sind, sich beraten und Beschlüsse gefaßt haben, dann ist am darauffolgenden Tag, wenn weitere 23 Staaten zusätzlich in die Diskussion eintreten, die Bereitschaft äußerst minim, noch irgendeine Veränderung der Beschlüsse vorzu


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