Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 137

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teufeln, sondern sich mit ihnen auseinandersetzen sollte, denn sonst könnte es passieren, daß einen die eigene Kritik einholt. Dies ist zweifellos bei der NATO-Debatte so manchem Kollegen von den Mehrheitsfraktionen passiert. Ich kann mich noch an Diskussionen hier vor zwei, drei Jahren erinnern. Der Fraktionsobmann der ÖVP nickt. Vor zwei Jahren haben wir im Kollegenkreis noch Debatten geführt, im Zuge derer ein NATO-Beitritt von Ihrer Seite als völlig undenkbar und unmöglich hingestellt wurde und wir in das Reich der Phantasie verwiesen wurden. (Bundesrat Prähauser: Sie haben selbst gesagt "Visionen"!) Ich bin froh, daß offensichtlich aus dem NATO-Beitritt keine lange alte Geschichte wird, von der ich heute früh hier schon gesprochen habe, sondern ich habe das Gefühl, da kommen die Dinge wirklich in Bewegung. Rund um die Jahrtausendwende wird es wohl soweit sein.

Österreich hat sich – das hat der Herr Bundesminister auch erwähnt – mit bescheidenen Mitteln der militärischen Landesverteidigung gestellt. Wir haben uns von 1955 bis rund 1990 ohne einen tatsächlich glaubwürdigen militärischen Schutz mit der Neutralität ein wenig darübergeschwindelt, wenn wir ehrlich sind. Aber bis etwa 1990 hat das politische Dogma gehalten. Die Neutralität war integraler Bestandteil dieses Staates. Ab 1990 kamen die ersten Vorschläge zur Abschaffung der Neutralität, und zwar vor allem von freiheitlicher Seite, aber auch von wissenschaftlicher und militärwissenschaftlicher Seite.

Nun zu den Punkten, die wir aus freiheitlicher Sicht kritisieren wollen und müssen.

Da ist einmal die Orientierungslosigkeit innerhalb der Regierung. Ich glaube nicht, daß wir uns im Ausland einen guten Namen machen, wenn in den Medien und in diversen Stellungnahmen derart widersprüchlich vorgegangen wird. Die NATO-Ablehnungsfront ist dann sukzessive abgebröckelt. Haider hat begonnen. Es folgten dann Klestil und Khol, der vom "Museumsstück Neutralität" gesprochen hat. Es folgte mit Josef Cap sogar ein prominenter Sozialdemokrat, der auf diese Linie eingeschwenkt ist. Es folgte Dr. Schüssel gemeinsam mit dem Bundesminister für Landesverteidigung, der diese Linie heute – aus meiner Sicht erfreulicherweise – bestätigt hat.

Es gibt aber auch Irritationen. Diese sind vor allem auf sozialdemokratischer Seite zu verzeichnen. Dort ist eine Linie einfach nicht erkennbar. Ich erinnere mich noch daran, daß Anfang 1995 Kanzler Vranitzky eine NATO-Partnerschaft für den Frieden glattweg abgelehnt, ja sie nicht einmal als diskussionswürdig hingestellt hat. Einige Monate später war es dann soweit, und die NATO-Partnerschaft für den Frieden wurde Realität. Ich erinnere mich, daß Kanzler Klima auf dem Parteitag zu Beginn des heurigen Jahres die Neutralität beschworen hat, während nahezu zeitgleich der Vizekanzler mit der NATO verhandelt und diese ersucht hat, sie möge uns doch zu Beitrittsverhandlungen einladen. Das sind Widersprüche, die schwer verständlich sind, sowohl im Inland als auch im Ausland, und die, glaube ich, nicht richtig sind. Da ist eine Bundesregierung doch wohl gefordert, bei einem solch zentralen Thema koordinierter vorzugehen und unmißverständliche Worte zu sprechen.

Kanzler Klima hat erst vor kurzem, als er gemeinsam mit Wolfgang Schüssel in Madrid war, Einigkeit demonstriert, und dies wurde auch von Vizekanzler Schüssel bestätigt. Aber dazu gibt es Gegensätze. Ich weiß nicht, ob die Gegensätze mit der Frühstücksaffäre zu tun haben, nämlich daß der Vizekanzler in diesen Tagen in etwas schlechter Verfassung war und daher leicht nachgegeben hat. Eine Woche später hat er sich aber erholt, denn da gab es einen Bundesparteivorstandsbeschluß der ÖVP, der auf ein klares und unmißverständliches Ja zum NATO-Beitritt gelautet hat. – Dies wenige Tage, nachdem Kanzler Klima eine Einigung mit dem Koalitionspartner verkündet hat.

Da dürfen Sie sich wirklich nicht wundern, wenn sich nicht nur die Oppositionsmandatare, sondern auch viele Journalisten und Bürger dieses Landes schwertun, zu verstehen, was denn jetzt wirklich gilt und wohin die Reise geht.

Ich glaube, daß hauptsächlich die Sozialdemokratische Partei gefordert ist, denn die Linie, die sie derzeit einschlägt, hat mit einer staatstragenden Partei nicht mehr viel zu tun. Sie sind gegen das Berufsheer, Sie sind für die allgemeine Wehrpflicht, aber auch für jedwede Begünstigung des Zivildieners. Sie sind gegen eine moderne, zeitgemäße Rüstung. Sie sind gegen den


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