Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 198

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11.19

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Alle, die sich mit Bildungsfragen beschäftigen, wissen, daß die Entwicklung einer auch auf internationalem Feld anerkannten Bildungsgesellschaft ein immerwährender Prozeß ist, der auch kostspielig ist. Weil aber bestens Ausgebildete natürlich auch einen wesentlichen Beitrag zur Fortentwicklung der Produktionskräfte, zur Erhöhung des Wirtschaftswachstums, des Lebensstandards, zur Besserung der Bewältigung unseres Daseins und der sozialen Umwelt leisten, dürfen auch in Zeiten knapper werdender öffentlicher Mittel die Anliegen der Universitäten und der Studierenden nicht unberücksichtigt bleiben. Das heißt nicht, daß man in diesen Bereichen das Wort "Sparen" nicht in den Mund nehmen soll, aber bitte nur dann, wenn damit gleichzeitig ein intensives Bemühen um Effizienzsteigerung verbunden ist.

Studienförderung und zeitgemäße Organisation unserer Hochschulen und Universitäten sind daher immer wieder von uns gefordert und können auch nie abgeschlossen sein, weil sich eben die Rahmenbedingungen und Interdependenzen laufend ändern. Ich bin froh, daß es heute weitgehend von breitesten Schichten anerkannt wird, daß die Gewährleistung von Chancengerechtigkeit nicht zur Nivellierung oder zur Verdrängung aus angestammten Gesellschaftsschichten führt, sondern unverzichtbar ist, wenn wir als Staat und Gesellschaft nicht zurückbleiben wollen.

Aber, meine Damen und Herren, der Weg zu Chancengerechtigkeit ist noch unendlich weit. Das beweist uns unter anderem ein Blick auf die soziale Lage der Studierenden. Auch Sie, Frau Kollegin, haben darauf hingewiesen. Wir alle sind uns der Problematik bewußt, wir haben nur zur Problemlösung vielleicht einen anderen Zugang.

Die Statistiken zeigen uns, daß die Prozentzahlen der Studienbeihilfenempfänger zwar schwankend sind, aber in den letzten Jahren hat sich ihre Zahl um nahezu ein Viertel erhöht, während die Zahl der Studierenden insgesamt nicht annähernd in diesem Ausmaß gestiegen ist. Ich würde wirklich gerne auf diesen Fragenkomplex näher eingehen, aber das würde die heute zur Verfügung stehende Zeit weit überschreiten. Ich bitte Sie daher, selbst darüber nachzudenken, welche Brisanz hinter dieser Entwicklung steht.

Meine Damen und Herren! Für Sozialdemokraten ist der Rechtsanspruch auf öffentliche Hilfen, wenn die eigene wirtschaftliche Kraft nicht gegeben ist, eine Selbstverständlichkeit auf dem Weg zu Chancengerechtigkeit. Die neuen Regelungen des Studienförderungsgesetzes kommen diesen unseren Vorstellungen nach, denn man will jenen, die für ihren Lebensunterhalt bereits Eigenleistung erbringen, die Möglichkeit, eine Förderung zu bekommen, auch weiterhin erhalten. Ich nutze aber die Gelegenheit dieser Debatte, hier mit aller Deutlichkeit zu sagen: Unser Ziel und auch mein ganz persönlicher Wunsch ist es nach wie vor, daß alle, die über die entsprechenden intellektuellen Voraussetzungen verfügen und die es wollen, frei und ungehindert von Sorgen für das tägliche Leben, ohne sozioökonomische oder geographische Barrieren studieren können. Die Gefahr, daß Studierende, die neben ihrem Studium arbeiten müssen, irgendwann zu Drop-outs, also zu Studienabbrechern, werden, ist leider sehr groß. Aber genau das ist dann letztendlich eine Verschwendung von öffentlichen Mitteln, kostet doch jeder Studierende Geld, auch wenn er kein Beihilfenbezieher ist.

Meine Damen und Herren! Wir sollten in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, daß für ein konkurrenzfähiges, hochentwickeltes Industrieland, das wir ja sein wollen, eine hohe Akademikerquote notwendig ist. Und diese Quote ist im internationalen Vergleich gesehen bei uns bedenklich niedrig.

Meine Damen und Herren! Bedingungen zu schaffen, daß es in unserer Gesellschaft immer mehr bestens Ausgebildete gibt, die an sinnvoll organisierten Ausbildungsstätten ihr Wissen und Können erworben haben, das ist das Ziel der heute zur Debatte stehenden Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates. Sie sind weitere Mosaiksteine für einen Boden, auf dem sich unsere Gesellschaft weiterentwickeln kann. Wir werden dadurch auch weiter damit rechnen können, gut ausgebildete, motivierte Menschen zu haben, die letztendlich dann im Berufsleben der Gesellschaft mehr geben, als sie jemals von ihr genommen haben.


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