Bundesrat Stenographisches Protokoll 629. Sitzung / Seite 210

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die bisher schon nichts gehabt haben, dramatisch verschlechtert. Obwohl in den vergangenen Jahren und im vergangenen Jahrzehnt der Anteil des Handels am Bruttoinlandsprodukt weltweit gestiegen ist, ist dieser in 44 Entwicklungsländern – das ist im Bericht der UNO nachzulesen –, deren Bevölkerungszahl weit über 1 Milliarde liegt, abgesackt. Die am wenigsten entwickelten Länder halten mit einem Anteil von 10 Prozent der Weltbevölkerung laut diesem Bericht nur 0,3 Prozent des Welthandels, das ist die Hälfte ihres Anteils vor 20 Jahren. (Bundesrat Mag. Gudenus: Trotz unserer Hilfe in der letzten Zeit! Da sieht man, daß das ein Tropfen auf den heißen Stein ist, der verdampft wie nichts!) Ich will damit nur belegen, daß sich die Situation in den vergangenen Jahren wesentlich verschlechtert hat. Der Anteil der ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung am Welteinkommen ist von 2,3 Prozent im Jahre 1960 auf heute 1,1 Prozent gesunken, und die Tendenz ist weiter fallend.

Herr Kollege Gudenus! Es wäre ein fataler Irrtum zu sagen, wir sollen, weil die Situation schlechter geworden ist, überhaupt nichts tun und die Entwicklungshilfe zur Gänze einstellen. Es ist weitaus vernünftiger, in Anbetracht dieser Situation zu lernen und uns zu fragen: Wie können wir die Entwicklungshilfe weiter verbessern, um den Armen in der Welt zu helfen? – Herr Kollege Gudenus! Sie äußern hier Ansichten, die ich wirklich nicht teilen kann! Ich verstehe Ihre Weltanschauung überhaupt nicht! (Bundesrat Meier: Die versteht niemand!) Ich habe Sie, auch aufgrund Ihrer Herkunft, bisher für einen gehalten, der anderen gegenüber bereit wäre, Verantwortung zu tragen. Vergessen Sie bitte nicht, daß heute noch immer 1,3 Milliarden Menschen täglich von weniger als 1 Dollar leben müssen! Das ist die Realität! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um einen Schuldennachlaß von zunächst einmal 1,750 Milliarden Schilling. Das entspricht einem Pro-Kopf-Verzicht in Österreich von 212 S, das können Sie umrechnen, aufgeteilt auf 45 Jahre, also bis zum Jahr 2042.

Meine Damen und Herren! Ich möchte einen Vergleich anstellen, der wie jeder Vergleich hinkt, der aber zeigen soll, worüber wir diskutieren: Der Spielumsatz der österreichischen Kasinos, errechnet aus der Differenz zwischen den Spieleinsätzen und den Gewinnauszahlungen, hat im Jahr 1996 brutto 2,5 Milliarden Schilling betragen, das ist beinahe das Doppelte von dem, was wir an Schuldenverzicht leisten.

Ich bin auch überzeugt, daß der Beitrag Österreichs ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Das ist eine sehr kluge Bemerkung, Herr Gudenus! Das wissen wir alle! Ich bin auch überzeugt, daß der Beitrag Österreichs von rund 75 Millionen Schilling zur Wiederauffüllung des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung, dessen Gründungsmitglied – das hat mein Vorredner auch erwähnt – Österreich ist, nicht nur richtig ist, sondern daß diese Entscheidung auch wichtig ist.

Die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern würde bis zum Jahr 2014 laut einer Studie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, der FAO, zusätzliche Bruttoinvestitionen in Höhe von 31 Milliarden Dollar jährlich benötigen, um die Menschen einigermaßen vernünftig ernähren zu können. Investitionen in die Entwicklung der Landwirtschaft sind daher der Schlüssel. Herr Kollege Gudenus! Sie stammen aus der Landwirtschaft. Ich bin überzeugt, Sie teilen meine Meinung: Investitionen in die Entwicklung der Landwirtschaft sind der Schlüssel, um Nahrung für alle Menschen zu haben.

Ernährungssicherheit ist für den Kampf gegen Hunger, Unterernährung und Armut natürlich entscheidend. In den nächsten 30 Jahren muß die Nahrungserzeugung um mehr als 75 Prozent gesteigert werden, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten zu können. Im Jahr 2025 gilt es nämlich, 9 Milliarden Menschen dieser Erde zu ernähren, im Gegensatz zu heute 5,8 Milliarden Menschen.

Wir können, ja wir dürfen uns einfach nicht damit abfinden, daß Hunger und Unterernährung weiterhin die Entwicklungschancen von rund 20 Prozent der Weltbevölkerung verhindern. Herr Kollege Gudenus! Das ist, so darf ich sagen, von meiner Position her unmoralisch!


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