Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 36

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Ich begrüße diese Formulierungen des Berichtes ausdrücklich, weil sie gerade in der täglichen Diskussion über die Sicherheit und internationale Zusammenarbeit richtungsweisend sind und beachtet werden sollten. Handeln wir auch nach diesen Punkten!

Auch im zweiten Teil dieses Berichtes, der den Ist-Stand 1995/96 mit den Änderungen im sicherheitspolitischen Umfeld darstellt, wird dieser neue und geänderte Aufgabenbereich unterstrichen und werden notwendige Anpassungen an die sich verändernden Verhältnisse aufgezeigt. Österreich ist seit 1. Jänner 1995 Mitglied der Europäischen Union. Tatsache ist, daß Österreich mit seinem Status quo als EU-Mitglied aufgenommen wurde, mit dem EU-Vertrag aber keine expliziten Forderungen verbunden sind, seinen militärischen Status zu ändern oder etwa die militärische Neutralität – und es handelt sich immer um die militärische Neutralität und nicht um wirtschaftliche Neutralität oder gar um die Verpflichtung des einzelnen Staatsbürgers, seine Ideen oder seine politische oder weltpolitische Meinungsfreiheit einzuschränken – aufgeben zu müssen. Dies ist und bleibt Angelegenheit Österreichs und seiner Bürger und Bürgerinnen.

Österreich hat Beobachterstatus bei der WEU, aber wie wir alle wissen, war und ist die WEU nicht voller Bestandteil der Europäischen Union, und es kann nur ein weiterer Entwicklungsprozeß nach den EU-Vertragsbestimmungen, den in der EU festgeschriebenen Verfahren und den Zustimmungskriterien der Mitgliedsstaaten, darunter selbstverständlich auch Österreich als gleichberechtigtes EU-Mitglied, zu einer Einbeziehung der WEU in die Europäische Union führen.

Da aber die WEU derzeit allgemein als wenig effizient angesehen wird, wird in der Diskussion gerade für den militärischen Bereich die NATO als wirksames Militärbündnis und als Verteidigungsbündnis dargestellt. Aber die NATO ist kein europäisches Bündnis, sondern wird von den USA dominiert; als Beispiel sei hier nur etwa die Entscheidung erwähnt, welche Staaten bei der Osterweiterung als nächste aufgenommen werden. Dabei setzte sich zweifellos die USA mit ihren Vorstellungen gegenüber den europäischen Partnern durch.

Die NATO ist auch kaum in der Lage, die Gegensätze, zum Beispiel zwischen Griechenland und der Türkei, zu verhindern und abzubauen, was derzeit im Rahmen der Zypern-Frage – denn Zypern steht auf der Liste zukünftiger EU-Mitglieder – wieder sichtbar wird.

Die NATO hat 1994 eine Initiative gesetzt – siehe die Seiten 10 und 11 dieses Berichtes –, die eine über die NATO-Grenzen hinausgehende "Partnerschaft für den Frieden" begründet. Das Konzept ist eine Verbesserung der friedenssichernden Zusammenarbeit zwischen Partnern, die bisher nicht in eine derartige Kooperation eingebunden waren, ja zwischen Staaten, die bis zum Fall des Eisernen Vorhangs in sich feindlich gegenüberstehenden Strukturen eingebunden waren, nämlich der NATO und dem Warschauer-Pakt. Es ist dies – vergleichen wir die Situation in Europa mit jener vor zehn Jahren – ein ungemein rascher und umwälzender Strukturwandel. In der Geschichte hat sich aber eines immer wieder bewiesen: daß abrupte Änderungen von vornherein Konfliktstoffe in sich getragen haben, weil die davon betroffenen Strukturen zuwenig Zeit hatten, die Änderungen zu bewältigen und zu verkraften, vor allem aber auch deswegen, weil die davon betroffenen Menschen aus Gewohnheit, aber auch bedingt durch ihre Umgebung und vor allem durch ihre Erziehung diese Änderungsprozesse nicht so rasch nachvollziehen und daher diese raschen Umwälzungen nicht mittragen konnten. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wenn nun die mittel- und osteuropäischen Staaten nach dem Westen drängen und in alle Institutionen aufgenommen werden wollen – im Europarat sind nahezu alle bereits Mitglieder –, so hängt das in bezug auf die Europäische Union und die NATO auch mit wirtschaftlichen Interessen und dem Wunsch nach Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und des Lebensstandards zusammen. Andererseits besteht von seiten der Russischen Föderation immer noch – bedenken wir die letzten zehn Jahre – eine gewisse Skepsis gegen die Einbeziehung dieser mittel- und osteuropäischen Länder. Bedenken Sie bitte auch – ich ersuche, dieses Beispiel jetzt nur theoretisch zu verstehen –, wie die USA reagiert hätten, wenn sich Mexiko dem Warschauer Pakt angenähert hätte. Da wäre die seinerzeit proklamierte Monroe-Doktrin sofort auf die


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