Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 44

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Ich habe mich dabei auch auf ein ganz bestimmtes Beispiel bezogen. Wir sind heute in der Situation, daß die NATO bereits Vorbereitungshandlungen trifft, um ihre eigene Organisationsstruktur für die Zukunft zu verändern, nämlich in der Form, daß es in Zukunft nur mehr ein Großkommando Nord und ein Kommando Süd geben wird. Ich meine, daß die Frage der Vollmitgliedschaft von Ungarn und die Zuordnung dieses Staates auch für unsere Position bereits vorentscheidend sein kann, weil die Anbindung dieses Landes an das Kommando Nord oder an das Kommando Süd selbstverständlich auch Rückwirkungen auf die künftige Gestaltung der Sicherheitspolitik auf dem Balkan und in Mitteleuropa haben wird.

Was bedeutet das ganz konkret? – Es bedeutet auf der einen Seite, daß die Sicherheitspolitik und die Sicherheitsfunktion für Mitteleuropa im wesentlichen auf europäischer Seite von der Staatengruppe Großbritannien, Holland, Belgien, Luxemburg, Deutschland und Dänemark durchgeführt wird, und auf der anderen Seite, wenn es um den Bereich Süd geht, heißt es, daß Portugal, Spanien, Italien und Griechenland dieser Gruppe angehören werden. Insofern ist natürlich auch diese Frage sowohl hinsichtlich der Orientierung dieser Staatengruppe, was die Sicherheitsprobleme anlangt, als auch von der Effizienz her gesehen, aus unserer Sicht möglichst rechtzeitig zu beantworten; und zwar so rechtzeitig, daß wir in unserem eigenen Interesse möglichst auch noch einen Einfluß auf diese Fragestellung nehmen können.

Es kann uns nicht egal sein, wer um uns herum effektiv die Sicherheitspolitik macht, wer sie organisiert, wer sie durchführt und wer im Eventualfall dann auch die entsprechende Sicherheitsleistung zu erfüllen hat. Dies ist keine Fragestellung, die man vorschnell in der einen oder anderen Richtung, so oder so beantworten soll. Aber wir müssen uns damit auseinandersetzen, und unsere Erklärung, die Klarstellung über unseren Weg wird mitentscheidend dafür sein, in welche Richtung die eine oder andere Entwicklung geht. Sonst riskieren wir einfach, daß wichtige sicherheitspolitische Entscheidungen ohne uns getroffen werden!

Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß das eine Frage ist, die uns in den nächsten Jahren in einem Einzelfall wahrscheinlich keine besonders großen Schwierigkeiten machen wird. Aber es beginnt jetzt zweifellos eine ganz wichtige Entscheidungsphase, die auf europäischer Ebene entweder mit uns oder ohne uns erfolgen kann und wird. Das ist die Konsequenz daraus.

Daß sich daraus ganz konkrete und praktische Konsequenzen ergeben, darauf habe ich in diesem Hause und in diesem Saal bereits Bezug genommen. Denken Sie nur etwa daran, daß wir in wenigen Wochen die Räume, die wir derzeit im NATO-Hauptquartier einnehmen, wahrscheinlich räumen werden müssen, um Platz für die neuen Mitglieder Tschechien, Ungarn und Polen zu machen. Wir werden dann nicht mehr die Möglichkeit haben, im Hauptgebäude mitdabeizusein, und werden damit auch aus dem internen Kommunikationsfluß und damit von der Möglichkeit, frühzeitig auch informelle Informationen zu bekommen, ausgeschlossen sein. Das heißt, das hat auch eine ganz praktische Bedeutung.

Ich möchte jetzt gar nicht auf bestimmte Details eingehen. Es muß uns nur bewußt sein, daß wir diese Zielsetzung nicht nur klar verfolgen müssen, sondern daß wir uns auch rechtzeitig dazu durchringen müssen, klare Entscheidungen zu treffen. Der Zeitpunkt für eine klare Weichenstellung ist und bleibt für mich das erste Halbjahr des nächsten Jahres.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Sicherheit selbstverständlich nicht nur im militärischen Bereich entsteht und nicht nur durch den militärischen Bereich gegeben ist. Ich persönlich bin nicht nur zutiefst davon überzeugt, daß das selbstverständlich etwas Komplexeres ist, sondern möchte auch ganz klar zum Ausdruck bringen, daß ich es absurd finde, wenn wir einerseits unsere Integrationsschritte, die wir auf fast allen Ebenen unternehmen, immer damit begründen, daß das auch ein Beitrag zur Sicherheit und zur Stabilität unseres Landes ist, aber andererseits verkünden, daß wir uns am entscheidenden und zentralen Sicherheits- und Stabilitätsbereich nicht beteiligen sollten. Das wäre für mich absurd! (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesräte Dr. Bösch und Dr. Tremmel. )

Es macht mit Sicherheit keinen Sinn, Mitglied der Politischen Union Europas, Mitglied der Wirtschaftsunion, Mitglied der Währungsunion, Mitglied der Union für innere Sicherheit, nämlich


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