Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 56

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Länder ohne deren Vollmitgliedschaft bei der NATO enger in ein europäisches Sicherheitsbündnis einzubinden. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Als Sozialdemokrat und auch als Gewerkschafter – das sei hier nicht verschwiegen – trete ich nach wie vor für eine umfassende neutralitäts- und sicherheitspolitische Diskussion unter objektiver und voller Information der Öffentlichkeit und unter Einbindung der Bevölkerung ein. Wir sind daran interessiert, daß die Entscheidung über den sicherheitspolitischen Kurs unseres Landes und in diesem Zusammenhang auch über einen allfälligen notwendigen Beitritt zu einem Bündnis nicht aus kurzfristigen tagespolitischen Erwägungen oder gar aus populistischem Opportunismus getroffen wird, sondern daß dabei von grundsätzlichen langfristigen Entwicklungsperspektiven Österreichs sowohl im nationalen als auch im gesamteuropäischen Rahmen ausgegangen wird. Eine derart tiefgreifende Diskussion ist bisher leider nur ansatzweise geführt worden.

Es ist heute auch schon angemerkt worden – ich möchte das ergänzen beziehungsweise unterstreichen –, daß bisher auf sozialpolitische und wirtschaftspolitische Aspekte überhaupt nicht eingegangen wurde, obwohl wir alle wissen, daß mangelhafte Lebensbedingungen, soziale Verelendung, Wanderungsbewegungen, die wir erleben – vom Osten in den Westen, vom Süden in den Norden –, die Hauptursache von politischer Instabilität, organisierter Kriminalität und gewaltsamen Konflikten sind.

Herr Bundesminister! Sie haben im Juli eine umfassende Diskussion angekündigt. Im Koalitionsübereinkommen vom März 1996 steht geschrieben, daß es im Laufe des ersten Quartals 1998 einen Bericht über weiterführende sicherheitspolitische Optionen Österreichs geben wird, den sogenannten Optionenbericht. Dieser Bericht ist vom Außenministerium, vom Bundeskanzleramt und von Ihrem Ministerium zu erstellen.

Ich möchte abschließend anmerken: Die Zeit drängt. Viele Österreicherinnen und Österreicher erwarten Informationen und Mitgestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten in ausreichender Form bei den angekündigten und bisher nicht stattgefundenen Diskussionen. Für mich persönlich steht zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls fest, daß über einen Verzicht auf unsere Neutralität, über die etwaige Einführung eines Berufsheeres anstelle unseres Bundesheeres und über einen Beitritt zur NATO nach meinem Verständnis eigentlich nur das österreichische Volk entscheiden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

12.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Tusek. – Bitte.

12.46

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich kann gleich lückenlos an meinen Vorredner, Kollegen Drochter, anschließen.

Herr Kollege Drochter, Neutralitätsdiskussion – ja, selbstverständlich! Allerdings darf ich in Erinnerung rufen: Österreich hat sich 1945 zur Neutralität bekannt, das ist Faktum. (Bundesrat Dr. Tremmel: 1955!) Entschuldigung, ich habe mich versprochen, selbstverständlich mit dem Neutralitätsgesetz am 26. Oktober 1955. Sie hat uns in der Zeit des kalten Krieges durchaus geholfen und war möglicherweise das optimale Instrument für unsere Sicherheit. Aber, Herr Kollege Drochter, und auch das gehört in einer Neutralitätsdiskussion betont und offen auf den Tisch gelegt: So richtig ernst genommen haben wir unsere Neutralität nie! Das läßt sich mit Zahlen belegen.

Es hat immer bei der Neutralität so quasi im Klammerausdruck geheißen: nach Schweizer Vorbild, nach Schweizer Muster. – Ich vergleiche einige Daten des Musterlandes unserer Neutralität, der Schweiz, und Österreichs in einer offiziellen Publikation des Büros für Wehrpolitik: Die Schweiz hat ziemlich genau die halbe Fläche Österreichs – nicht auf den Quadratkilometer genau, aber ungefähr. Gerade was das Panzergelände betrifft, ist die Schweiz noch schlechter dran, sie hat noch weniger davon als Österreich, aber das Wehrbudget pro Kopf beträgt in


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite