Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 64

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wären wir in der NATO. Während Fasslabend in braver Koalitionsdisziplin von seiner eigenen Partei zurückgepfiffen wird, sieht inzwischen der Bundeskanzler diese Frage gar nicht mehr so eng und sagt: Einen NATO-Beitritt sollte man eigentlich schon einmal diskutieren.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Weiß denn hier die rechte Hand überhaupt noch, was die linke tut und umgekehrt? Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, welch verheerendes Schauspiel der Unzulänglichkeit Sie dem Ausland bieten? Können Sie sich vorstellen, wer die österreichischen Regierungsvertreter auf dem internationalen Parkett überhaupt noch ernst nehmen soll? – Ganz abgesehen davon kann die österreichische Außenpolitik wirklich nicht die Privatsache einzelner Regierungsmitglieder sein. Da gibt es schließlich noch ein Parlament, meine Damen und Herren, Außenpolitische Ausschüsse im Nationalrat und Bundesrat, einen Außenpolitischen Rat, in denen die außenpolitische Linie abgesprochen und ein Konsens darüber hergestellt werden muß.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich möchte Sie mit Nachdruck auffordern, den Parlamentarismus gerade in dieser für unser Land so eminent wichtigen Frage der Außen- und Sicherheitspolitik ernstzunehmen und die österreichische Außenpolitik nicht zum Kabarett des Boulevards verkommen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was den Außenpolitischen Bericht betrifft, so hätte ich, sehr geehrte Frau Staatssekretärin, auch sehr gerne eine Antwort darauf, warum die Frage der Entwicklungen auf dem Gebiet der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion ersatzlos aus dem Bericht 1996 gestrichen wurde. Es kann doch nicht so sein, daß die Entwicklungen in Rußland, in der Ukraine, in Belarus und in anderen Staaten für Österreich ohne Belang sind. Auch die Kapitel Weltenergieversorgung, die internationalen Finanzinstitutionen, die Vertragsübersicht und eine Reihe anderer wichtiger Punkte wurden ohne Angabe von Gründen gestrichen, und die Auslandskulturpolitik wurde auch halbiert.

All das sind Indizien einer negativen Entwicklung in der österreichischen Außenpolitik, die im wesentlichen auf zwei Hauptursachen zurückzuführen ist: einerseits auf den fehlenden Konsens und die fehlende Konzeption einer langfristigen Außen- und Sicherheitspolitik und andererseits auf einen Außenminister, welcher der Ämterkumulation von Außenminister, Vizekanzler und Parteiobmann immer weniger gewachsen ist. Außenminister zu sein ist kein Halbtagsjob und keine nebenberufliche Tätigkeit, sondern erfordert 100prozentigen Einsatz, starke Nerven und – auch das muß einmal gesagt werden – gutes Benehmen und Glaubwürdigkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hier gibt es gravierende Defizite, die näher auszuführen ich Ihnen, mir und dem Protokoll ersparen möchte, die aber in so massiver Weise zutage getreten sind, daß sie nicht nur die Handlungsfähigkeit des Außenministers selbst, sondern der österreichischen Außenpolitik insgesamt in Mitleidenschaft ziehen. Die Glaubwürdigkeit des Herrn Außenministers hat sich längst dem Nullpunkt genähert, und zwar nicht nur, was seine von mehreren Augen- und Ohrenzeugen widerlegten Rechtfertigungen betrifft, sondern auch, was seine politische Glaubwürdigkeit gegenüber der österreichischen Bevölkerung betrifft.

Was die österreichische Außenpolitik dringend braucht, ist eine realistische und ehrliche Standortbestimmung, die auch der neuen geopolitischen Situation nach dem Wegfall der bipolaren Weltordnung Rechnung trägt. Im Zentrum aller Überlegungen muß die Erhöhung der Sicherheit des eigenen Landes stehen. Dazu haben meine Kollegen bei der Debatte über die Landesverteidigung schon ausführlich Stellung genommen. Wer glaubt, unter Berufung auf unsere EU-Mitgliedschaft auf eine eigenständige außenpolitische Rolle verzichten zu können, irrt. Wenn es nach der Ära Mock überhaupt so etwas wie eine Grundausrichtung der österreichischen Außenpolitik gab, dann höchstens jene, in Brüssel zum umgänglichsten Musterschüler zu gehören. Wir sitzen schweigend und gelähmt in Brüssel, hat der ehemalige Generalsekretär der Industriellenvereinigung und nunmehrige österreichische Botschafter in Paris, Ceska, sehr treffend festgestellt. Ohne Wenn und Aber in die EU, war 1994 die Devise, ohne Wenn und Aber in den Euro, heißt es heute.


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