Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 74

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Nachbarlandes, das vorgibt, mit uns befreundet zu sein, entführt wird, um der Justiz dieses Landes zugeführt zu werden! Unter zivilisierten Ländern stellt man sich eine Auslieferung anders vor, als sie hier erfolgt ist: Da wird ein Auslieferungsantrag gestellt, und diesem wird vom angesprochenen Staat nachgekommen oder nicht. Auf jeden Fall ist es bestimmt nicht akzeptabel, daß man derartige Kidnapper-Methoden mitten in Europa duldet. Ich hätte mir erwartet, daß das Schicksal der Frau Unterkircher zumindest in objektiver Weise im Außenpolitischen Bericht angesprochen wird!

Frau Staatssekretärin! Ich möchte Ihnen ein Schreiben aus der Heimatgemeinde der Frau Unterkircher zur Kenntnis bringen: Der Gemeinderat von Terfens hat einstimmig einen Beschluß gefaßt und an den Staatspräsidenten der Republik Italien, Herrn Luigi Scalfaro, nach Rom folgenden Brief geschrieben, den ich zitieren möchte. In diesem Brief heißt es:

"Sehr geehrter Herr Staatspräsident! Unlängst hat eine Bozener Bürgerin, welche der italienischen Sprachgruppe zugehört, die Bitte an Sie gerichtet, Frau Karola Unterkircher aus humanitären Gründen zu begnadigen. Wir unterzeichneten Gemeindevertreter und Mitbürger von Frau Karola Unterkircher schließen uns dieser Bitte aus ganzem Herzen an.

Zur Frage ihrer Verstrickung in gesetzwidrige Handlungen können und wollen wir uns mangels Wissens und Kompetenz nicht äußern. Dies fällt in die Zuständigkeit der Gerichte. Wenn eine solche Schuld gegeben ist, so ist Karola Unterkircher sicherlich von jemand anderem oder von anderen Personen hineingezogen worden.

Frau Unterkircher ist von ihrer Natur aus ein guter Mensch, von christlicher Nächstenliebe, hilfsbereit und aufopfernd gegenüber ihren Mitmenschen. Sie sollte diesen Abschnitt ihres Lebens nicht im Gefängnis, sondern an der Seite ihres Mannes verbringen, der ihrer Betreuung und Pflege bedarf.

Frau Unterkircher, die in freundschaftlichem brieflichen Kontakt mit der genannten großherzigen Bürgerin Ihres Staates in Bozen steht, hat in einem Schreiben erklärt, jede Begnadigung gerne annehmen zu wollen. Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Staatspräsident, zu erwägen, ob drei Jahre Haft nicht ausreichend als Sühne sein können. Wir bitten Sie, einer Frau von gutem Charakter und Leumund – welches wir bezeugen – die Freiheit zu geben, damit sie ihren Lebensabend an der Seite ihres ihrer Unterstützung bedürftigen Mannes verbringen kann.

Europa eint sich, das Trennende verschwindet, und auch die Menschen werden zunehmend zueinander finden. Wir bitten Sie sehr herzlich, durch einen Akt der Güte und der Großmut unsere Hoffnungen in diese gute Zukunft zu stärken.

Mit dem Ausdruck größter Hochachtung: Bürgermeister Oswald Schallhart und alle zwölf weiteren Gemeinderäte der Gemeinde Terfens in Tirol."

Frau Staatssekretärin! Ich habe hier eine Kopie des Schreibens. Ich darf sie Ihnen hiermit übergeben und Sie bitten, dieses dem Herrn Außenminister und Vizekanzler Schüssel zur Kenntnis zu bringen, damit er sich einmal informiert, sich dieser Sache vielleicht annimmt, um für Frau Unterkircher, die immerhin eine österreichische Staatsbürgerin ist, gegebenenfalls etwas zu erreichen. (Bundesrat DDr. Königshofer übergibt das Schreiben Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner.)

Meine Damen und Herren! Der zweite Bereich dieses Außenpolitischen Berichtes, dem ich mich widmen möchte, betrifft die wirtschaftliche Integration Europas, insbesondere die Ausführungen zur angestrebten Wirtschafts- und Währungsunion. Hier lese ich in bezug auf die Maastrichter Konvergenzkriterien Sachverhalte, die einander offensichtlich widersprechen. – Und zwar heißt es hier: "Österreich erfüllt derzeit alle Konvergenzkriterien mit Ausnahme des Haushaltsdefizites, das 1996 von 6,17 Prozent (1995) auf 3,9 Prozent des BIP sinken wird." – es liegt immer noch über den 3 Prozent! – "und der Staatsverschuldung, die sich 1996 von 69,2 Prozent (1995) auf 70,1 Prozent des BIP erhöhen wird."


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