Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 75

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Das sind zwei wichtige Kriterien, die im Maastricht-Vertrag vereinbart wurden, die Österreich offensichtlich nicht erfüllen kann.

Dann heißt es weiter wörtlich – und da widerspricht sich dieser Bericht selbst –: "Österreich ist zuversichtlich, 1997 alle Konvergenz-Kriterien zu erfüllen." – Da muß ich schon einmal nachfragen, wie das funktionieren soll! Man kann über die 3 Prozent Neuverschuldung denken wie man will, die wird Österreich vielleicht noch durch so manche Budgetkosmetik erreichen, Sie kennen die Dinge mit ASFINAG, den Gemeindebetrieben et cetera. Wie will man aber das Kriterium der Gesamtverschuldung erreichen? Wie will man von 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf die geforderten 60 Prozent herunterkommen? – Das Bruttoinlandsprodukt Österreichs, meine Damen und Herren, beträgt über 2 000 Milliarden Schilling jährlich; das ist die Gesamtleistung der österreichischen Volkswirtschaft. 10 Prozent davon sind 200 Milliarden Schilling. Ich stelle mir die Frage: Wie wollen Sie es erreichen, in einem Jahr rund 200 Milliarden Schilling Schulden abzubauen, damit Sie dieses Konvergenzkriterium erreichen? – Sie werden es nicht erreichen!

Jetzt gehen wir in bezug auf diese Währungs- und Wirtschaftsunion in medias res. Sie behaupten immer, die Österreicher hätten bereits 1994 mit ihrem Ja zur EU auch über diese Währungs- und Wirtschaftsunion mit abgestimmt. – Da gebe ich Ihnen recht. Allerdings haben Sie das der Bevölkerung damals nicht gesagt. Aber in diesem Maastrichter Vertrag heißt es auch, daß jemand nur dann verpflichtet ist, wenn er diese Kriterien erfüllt, und wir erfüllen sie eben nicht alle! Damit hat die Regierung genauso wie die schwedische Regierung die Möglichkeit zu sagen: Wir möchten uns diese Sache zuerst anschauen, uns kommt diese Währungsunion zu früh, wir möchten zuerst abwarten, wie sich der Euro entwickelt.

Ich halte es daher nicht für unklug, wenn viele Wirtschaftswissenschaftler sagen – nicht Jörg Haider allein –, daß man einmal die Position Englands einnehmen und zuschauen solle, wie sich diese Union entwickelt, falls sie überhaupt zustande kommt, beziehungsweise, wenn die Kriterien nicht erfüllt werden, den Beitritt zu dieser Währungsunion auf einen späteren, überschaubaren Zeitraum verschieben solle. Wir sagen nämlich, daß eine einheitliche Währung nur dann kommen kann, wenn zuerst die volkswirtschaftlichen Bedingungen, die steuerlichen Bedingungen, aber auch die Rechtsbedingungen angeglichen worden sind.

Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel in bezug auf steuerliche Divergenz. Nehmen wir den Mehrwertsteuersatz von Deutschland und Österreich: Deutschland hat 15 Prozent Mehrwertsteuer, Österreich 20 Prozent. Stellen Sie sich vor, eine Ware kostet im Nettopreis 100 Euro. Dann kostet sie in Deutschland mit dem Aufschlag der Mehrwertsteuer 115 Euro und in Österreich 120 Euro. Stellen Sie sich in Anbetracht dessen die Situation in den Grenzgebieten zum Beispiel in Kufstein, Kiefersfelden, Salzburg, Freilassing, Bregenz, Lochau oder Lindau vor! Was glauben Sie denn, wo die Leute einkaufen werden? – Sie werden die Ware beim deutschen Händler kaufen, wo sie um 70 S billiger ist! (Bundesrat Mag. Himmer: Welche Rechnung stellen Sie da an? Das müssen Sie uns auch erklären!)

Ich sage es Ihnen gleich: Sie bezeichnen es immer als Vorteil, daß die Dinge transparent werden. Heute hat der Österreicher vielleicht noch den Vorteil, daß nicht jeder so schnell in eine andere Währung umrechnen kann. Genau das, was Sie jetzt als Vorteil verkaufen, wird jedoch zum eminenten Nachteil der österreichischen Handelsbetriebe in den Grenzbezirken werden. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Herr Kollege Himmer! Ich weise Sie nur darauf hin. Die gleiche Ware wird im deutschen Geschäft um 5 Euro billiger ausgewiesen werden als im österreichischen. Sie sagen, in der Praxis spielt sich das nicht ab! Ich bin auch ein Praktiker! Was wird denn der österreichische Kaufmann tun müssen? – Er wird den Nettopreis zurücknehmen müssen, sprich: seine eigene Handels- und Gewinnspanne verkürzen müssen, damit er den gleichen Preis wie der deutsche in die Auslage hängen kann, um noch wettbewerbsfähig zu sein. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Dann sind wir wieder bei dem Punkt, daß die österreichischen Betriebe in bezug auf das Eigenkapital ausgehöhlt werden. Sie scheinen das nicht zu begreifen! Gehen Sie einmal hinaus in die


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