Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 87

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ist die EU-Präsidentschaft nicht völlig planbar. Denken Sie nur an Italien: In die Zeit seiner Präsidentschaft fiel die BSE-Krise. In bezug auf die Niederlande galt das zum Beispiel für die Krise mit Albanien. Daher ist es meiner Ansicht nach besonders wichtig – wir versuchen, das zu tun –, Flexibilität und gewisse Reservekapazitäten einzuplanen.

Fest steht allerdings, daß unser Vorsitz in eine besonders sensible Phase fallen wird. Jahrhundertthemen – sie wurden zum Teil auch heute schon andiskutiert – wie Euro oder EU-Erweiterung werden sicherlich Schlüsselelemente dieser Präsidentschaft sein. Mit der Reform der Agrarpolitik und der Neuordnung der Strukturpolitik stehen überaus kontroversielle und schwierige Weichenstellungen in zentralen Politikbereichen an. Die Erarbeitung der finanziellen Vorausschau für die Jahre 2000 bis 2006 ist verteilungspolitisch – auch das ist heute schon angeklungen – nicht zuletzt auch wegen des Zusammenhangs mit der Finanzierung der Erweiterung eine äußerst schwierige Aufgabe.

Wirtschafts- und Währungsunion, die endgültige Festlegung der Wechselkurse: Der Beginn der dritten Stufe der Währungsunion soll am 1. Jänner 1999, also unmittelbar nach Abschluß unserer Präsidentschaft, erfolgen. Das heißt, angesichts des historischen Charakters dieses Ereignisses und seiner ungeheuren wirtschaftlichen und politischen Relevanz ist es daher gut möglich, daß der gesamte österreichische Vorsitz im Zeichen des Euro stehen wird. Allerdings kann man sich nicht 100prozentig auf den Fahrplan für das Jahr 1998 verlassen. Als Fixstarter für die dritte Stufe ist Österreich jedenfalls in einer guten Position, um einen wichtigen Beitrag zum Zustandekommen dieses Projektes zu leisten.

Was die Erweiterung betrifft, hat die Kommission – wie Sie wissen – vorläufig folgendes Modell präsentiert: Beitrittsverhandlungen mit Ungarn, Tschechien, Polen, Estland, Slowenien und Zypern. Das war vorher schon bekannt und entschieden. Darüber hinaus sind bilaterale Beitrittspartnerschaften mit allen Kandidaten vorgesehen und danach die Einberufung einer Europakonferenz unter Teilnahme aller EU- und Kandidatenstaaten sowie vielleicht der EWR-Länder und der Türkei zwecks Zusammenarbeit in den Bereichen GASP und Inneres/Justiz. Darüber besteht noch nicht völlige Klarheit.

In die Zeit der österreichischen Präsidentschaft dürften die ersten wirklichen Verhandlungsrunden fallen. Dabei wird die Positionierung Österreichs besonders sensibel sein. Engagement für Fortschritte in der Erweiterung, die unzweifelhaft – das möchte ich hier auch sagen – klar im österreichischen Interesse liegt, muß selbstverständlich mit wirksamem Eintreten für die spezifischen Interessen unseres Landes verbunden sein. Dabei die richtige Linie zu finden, glaubwürdig und kohärent zu sein, wird keine einfache Aufgabe sein. Aber wir werden uns dieser Aufgabe stellen.

Ich möchte die Themen Strukturpolitik, gemeinsame Agrarpolitik und Santer I-Paket hier nur kurz streifen. Da gemeinsame Agrarpolitik und Strukturpolitik zusammen zirka 79 Prozent der EU-Ausgaben ausmachen, steht deren Reform selbstverständlich in engem Zusammenhang mit der Erarbeitung der finanziellen Vorausschau für die Jahre nach 1999 und mit der Frage der Finanzierung der Erweiterung. Diesbezüglich hat die Kommission bereits in der Agenda 2000 ihre Vorstellungen dargelegt.

Zur finanziellen Vorausschau geht die Kommission davon aus, daß die im derzeit geltenden Delors II-Paket vorgesehene Obergrenze für die Finanzressourcen von 1,27 Prozent des Bruttosozialproduktes auch für die Jahre 2000 bis 2006 gelten soll. Das heißt, zumindest die erste Erweiterungsrunde sollte ohne zusätzliche Finanzmittel finanziert werden. Das ist auch eine Bedingung Österreichs, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Eine wichtige und sensible Komponente der österreichischen Vorbereitungen wird die rechtzeitige innerösterreichische Koordination sein. Es wird vor allem darum gehen, einen tragfähigen Kompromiß zu finden zwischen den Interessen des Nettozahlers sowie den legitimen Anliegen der Bauern und der verschiedenen österreichischen Regionen. Selbstverständlich wird dabei auch die Frage der Arbeitsplätze eine Rolle spielen.


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