Bundesrat Stenographisches Protokoll 630. Sitzung / Seite 86

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Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Frau Staatssekretärin Dr. Benita Ferrero-Waldner das Wort.

15.13

Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte noch einmal damit beginnen – das habe ich schon einige Male im Nationalrat getan –, klarzustellen, daß mit der österreichischen EU-Mitgliedschaft ein absoluter Paradigmenwechsel eingetreten ist. Diejenigen, die glauben, daß Österreich jetzt weniger Außenpolitik als vorher betreibe, irren, und zwar ganz klar.

Die österreichische EU-Mitgliedschaft hat Österreich dazu veranlaßt, viel präsenter als vorher zu sein. Selbstverständlich konzentrieren wir uns auch heute noch sehr auf unsere Partnerstaaten in der Europäische Union und auf die Nachbarstaaten – darauf komme ich gleich zu sprechen –, aber darüber hinaus war noch nie so viel an Kontaktnahme mit der gesamten übrigen Welt da, nämlich an Globalisierung. Auch darauf werde ich im Rahmen meines Exposés eingehen. Lassen Sie mich aber zuerst kurz auf die Rolle Österreichs im kommenden EU-Vorsitz eingehen. Das ist meiner Ansicht nach mit eine der größten Herausforderungen der österreichischen Außenpolitik, die auf uns zukommen, und diese Herausforderung wird sicherlich auch von Ihnen mit Interesse verfolgt.

Die Führung der österreichischen Außenpolitik ist eine sehr intensive und fordernde Aufgabe. Weder Herr Vizekanzler und Außenminister Dr. Schüssel noch ich werden uns diese Aufgabe leichtmachen, und wir haben sie uns auch bis jetzt nicht leichtgemacht. Es sind nur noch weniger als 300 Tage, die uns vom Beginn der österreichischen EU-Präsidentschaft trennen. Ich muß hinzusagen, daß weit mehr als 300 Tage gezielter Vorbereitungen bereits hinter uns liegen.

Die Erwartungshaltung in Österreich ist wirklich beträchtlich. Ich sehe großes Interesse in der Bevölkerung, und wir werden uns darum bemühen, auch in Zukunft die österreichische Bevölkerung nicht zu enttäuschen und die Vorbereitung – wie ich es immer als Motto ausgegeben habe – seriös, gediegen und professionell durchzuführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir wissen, daß die Umsetzung unserer Interessen sicherlich nicht einfach sein wird. Aber das wichtigste Kriterium für den Erfolg einer Präsidentschaft – auch darin sind sich die Experten einig – ist die Unabhängigkeit einer Präsidentschaft. Die Präsidentschaft muß Mittler sein, muß ehrlicher Makler sein, muß Sprachrohr sein. Wer den Vorsitz in erster Linie dazu nützt, nationale Steckenpferde zu reiten oder die eigenen Schäfchen ins trockene zu bringen, der wird scheitern. Das muß man auch in Österreich immer wieder betonen, und ich tue das auch.

Denn hier besteht teilweise die Vorstellung, wir könnten der Union sechs Monate lang unsere eigenen nationalen Wünsche und Prioritäten sozusagen aufzwingen. Selbstverständlich ist das keineswegs der Fall. Der Vorsitz ist vielmehr eine Dienstleistung, eine Managementaufgabe, eine Gestion, die sich am Gesamtinteresse der Union orientieren muß.

Folgende Tagungen werden in Österreich stattfinden: auf Regierungsebene die traditionelle Tagung von Bundesregierung und Kommission, mit der die Präsidentschaft beginnt, und elf informelle Ministerräte, davon neun in den Bundesländern. Ich darf dazu sagen, daß es mir ein großes Anliegen war, in allen Bundesländern zumindest je einen informellen Rat durchzuführen, und das ist mir auch gelungen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Zwei davon werden in Wien stattfinden. Weiters wird es die EU-SADC-Außenministerkonferenz – das ist eine Konferenz mit Vertretern des südlichen Afrikas – und selbstverständlich im Dezember den Europäischen Rat geben.

Offen sind noch – es ist möglich, daß dies stattfinden wird – ein außerordentlicher Europäischer Rat, eine multilaterale Erweiterungskonferenz und eine Reihe von allfälligen weiteren Drittstaatentreffen. Unterhalb der Regierungsebene werden insgesamt 36 Tagungen auf Beamtenebene in Österreich stattfinden.


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